Die Leistung zählt, nicht das Geschlecht. Evelyn Kickinger und Nico Schranz vor dem Leitspruch der Hertha-Firnberg-Schulen.

Standard/Hendrich

Maria Ettl führt die Schule seit fünf Jahren.

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Wien – In graue Anzüge gekleidet, mit seidenen Krawatten um den Hals und einer Anstecknadel am Revers klopfen eine Schülerin und ein Schüler an die Tür von Direktorin Maria Ettl. "Kommt nur rein, keine Scheu", sagt die Pädagogin. "Kommen Sie heute ins Restaurant, und neben welchem Lehrer wollen Sie am Tisch sitzen?", fragt der Schüler.

An den Hertha-Firnberg-Schulen im 22. Bezirk in Wien kochen die Schüler der Hotelfachschule dreimal pro Woche. Neben dieser dreijährigen Ausbildung bietet die Schule auch eine höhere Lehranstalt für Tourismus und eine für wirtschaftliche Berufe. Die Schüler dieser beiden Typen schließen nach fünf Jahren mit Matura ab. Direktorin Ettl legt viel Wert auf das Auftreten der Jugendlichen, aber auch auf die Gleichberechtigung von Burschen und Mädchen. Bei einem Frauenanteil von rund 75 Prozent eine Herausforderung. Dafür wurde die Schule im Oktober mit dem Schulpreis des Bildungsministeriums in der Kategorie Gendergerechtigkeit ausgezeichnet.

Höhepunkt "Gendermania"

Es gibt eine Genderbeauftragte, die Direktorin nimmt nach Möglichkeit nur Lehrer auf, die gendersensibel unterrichten, und es wird auf eine geschlechtergerechte Sprache geachtet. Höhepunkt des Schuljahres ist die jeden März stattfindende "Gendermania". Dabei präsentiert jede Klasse ihr Projekt zum Thema Geschlecht. Die Schule zeichnet die Veranstaltung auf, auf Video kann man sich die gesamte Show ansehen.

Ein Baby schreit. Zwei Männer liegen nebeneinander im Bett. "Du bist dran", sagt der eine. Murrend steht der andere auf, um das Kind zu wickeln. Die Klasse 3 HCSA hat sich in diesem Jahr mit dem Adoptionsrecht für Homosexuelle beschäftigt.

In kurzen Videoclips stellten die Schüler und Schülerinnen dabei die US-amerikanische Hitserie "How I Met Your Mother" nach, allerdings mit dem Titel "How I Met Your Father" und mit zwei Männern als Eltern. "Die Moral von der Geschichte ist, dass Erziehung unabhängig von Geschlecht ist und dass Männer genauso in der Lage sind, Kinder zu erziehen, wie Frauen", erklärt einer der Darsteller am Ende der Vorstellung.

Jury bewertet Projekte

Eine Jury aus Lehrkräften und das Publikum, bestehend aus Schülern und externen Gästen, wählen am Ende das beste Projekt. In diesem Jahr hat ein Video über die Biografie der Friedensnobelpreisträgerin Malala Yousafzai gewonnen."Das Projekt ist mit Spaß verbunden. Man bekommt einen persönlichen Zugang zum Thema Gender Mainstreaming", sagt die 17-jährige Evelyn Kickinger, die in der Steuergruppe für Genderthemen der Schule sitzt, im Gespräch mit dem STANDARD. Auf diesem Weg würden auch einige jener, die am Anfang dem Thema skeptisch gegenüberstünden, diese Hürde überwinden.

Gender Mainstreaming – also die Gleichstellung von Mann und Frau – ist eines der Leitmotive der Hertha-Firnberg-Schulen. "Es zählt das Individuum, die Leistung und das Engagement und nicht das Geschlecht", steht auf einem Bild, das vor der Direktion hängt. Daneben sind Brüste, Penisse und das Symbol für Frauen und jenes für Männer gemalt. Maria Ettl führt die Schule seit fünf Jahren, davor hat die 56-Jährige Deutsch und Französisch unterrichtet. Als sie von drei vermeintlichen Schülerinnen am Gang nicht gegrüßt wird, wird sie stutzig. "Die können nicht von uns sein. Das sind sicher Studentinnen, die hier ihr Unterrichtspraktikum machen", sagt sie. Manieren sind hier besonders wichtig. Schließlich werden viele der Schüler später im Dienstleistungsbereich tätig sein.

Strenge Kleidungsvorschriften

Auch die Kleidungsvorschriften sind streng. In der Verhaltensvereinbarung, die jährlich gemeinsam mit Schülern überarbeitet wird, ist etwa festgeschrieben, dass keine sichtbaren Piercings und keinen tiefen Ausschnitt getragen werden dürfen. Bei Präsentationen und Veranstaltungen müssen die Schülerinnen und Schüler ein "Businessoutfit" tragen. Hier kommt ebenfalls der Genderaspekt zum Tragen. "Wir wollen eine Sexualisierung vermeiden. Wenn die Mädchen kurze Röcke und tiefe Ausschnitte tragen, zupfen sie ständig an sich herum und haben die Hände nicht frei. So können sie schwerer überzeugen. Wir sagen nicht, dass sie sich wie Männer kleiden sollen, aber je neutraler, desto besser."

Handelsschulen werden traditionell von vielen Mädchen besucht. Ettl will dem entgegenwirken. "Wir bieten an der Schule für wirtschaftliche Berufe ein modernes Curriculum ohne Nähen und Kochen, trotzdem kommen immer noch hauptsächlich Mädchen." Die Schule hat deshalb vor sechs Jahren den Zweig "Kommunikations- und Mediendesign" gegründet, in dem Sprachen, verstärkt aber auch Naturwissenschaften und Informatik unterrichtet werden. Heuer besuchen diese Klasse erstmals gleich viele Burschen wie Mädchen.

Männern nichts wegnehmen

Der 17-jährige Nico Schranz hat ebenfalls diesen Zweig gewählt. "Einerseits sollen bei uns die Mädchen mehr zur Technik gebracht werden, andererseits die Burschen an die Schule und zu den Sprachen", sagt er. Auch Schranz sitzt in der Gender-Steuergruppe. Gemeinsam mit mehr als zwanzig anderen Schülern und fünf Lehrkräften plant er die "Gendermania", ist aber auch Ansprechpartner für die zwei Genderbeauftragten, die in jeder Klasse sitzen. Wenn etwa "die Mädchen immer die Tafel putzen müssen oder Burschen vermittelt wird, dass sie nicht gut in Sprachen sind", können die Schüler mit ihm darüber reden.

Lehrerin Verena Ungar ist die Genderbeauftragte der Schule. Ein Vorurteil sei, dass mit Gender Mainstreaming Männern etwas weggenommen werden solle, sagt sie. Das Gegenteil sei der Fall. "Wir wollen niemanden verändern. Wir wollen nicht Burschen zu Mädchen machen oder umgekehrt." Es gehe darum, den Handlungsspielraum zu erweitern. "Indem man in einem Umfeld ist, wo es nicht verpönt ist, dass man als Bub tanzt oder wenn man sich als Mädchen für Technik interessiert."

An den Hertha-Firnberg-Schulen finden sich aber auch noch traditionelle Rollenbilder. Beim Mittagessen der Hotelfachschule servieren die Mädchen, und ein Bub steht an der Kassa. (Lisa Kogelnik, 16.11.2015)