Wien – Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) hält die Steuerpolitik nicht allein ausschlaggebend für den Standort Österreich. Sie halte immer auch als guter Vorwand her. Der Finanzminister meint aktuell die Bank Austria, deren italienischer Eigner UniCredit 2016 die Osteuropazentrale von Wien nach Mailand abziehen will und zudem einen Rückzug aus dem österreichischen Filialgeschäft erwägt.

"Natürlich kommt jetzt der Vorwurf wegen der hohen Bankensteuer", sagte Schelling bei einer Diskussion der US-Handelskammer AmCham in Wien. Seiner Ansicht nach ist im konkreten Fall aber eine "Cost-Income-Ratio" von 75 Prozent das Problem. "Selbst wenn ich die Bankenabgabe auf null stelle, ist das Problem nicht gelöst."

Politische Versprechen

In ihrem Quartalsbericht hat die Bank Austria für ihr inländisches Privat- und Firmenkundengeschäft zum Stand Ende September eine Kosten/Ertrags-Relation von 74,5 Prozent ausgewiesen. Die Bank wendet demnach in dem Geschäftsbereich 74,5 Cent auf, um einen Euro zu erlösen. Die Retailsparte isoliert macht überhaupt Verlust.

Wenn es auch nicht unmittelbar die österreichische Bankensteuer ist, die UniCredit antreibt, das Osteuropageschäft direkt unters Konzerndach nach Mailand zu holen; hoch zweistellige bzw. dreistellige Millionenbeträge pro Jahr machten den Banken in Österreich im Verein mit regulatorischen Vorgaben schon Probleme, wandten Banker bei der Publikumsdiskussion mit Schelling ein.

Erste-Group-Aufsichtsratschef Friedrich Rödler erinnerte den Minister an politische Versprechungen bei der Einführung der umstrittenen Abgabe, nämlich ihr Auslaufen bzw. die Anrechenbarkeit auf künftige Abwicklungsfonds, sobald diese installiert sind.

Unterschiedliche Positionen

Schelling bestätigte, mit der Kreditwirtschaft zur Bankensteuer gerade "Konzepte" zu verhandeln, "wo wir versuchen, diese Dinge ins Lot zu kriegen". Details nannte er nicht. Einem Kompromiss müsse aber auch die SPÖ zustimmen. Bei der Bankensteuer seien die ideologischen Positionen "sehr heterogen".

Generell habe zur Steuer- und Standortpolitik der Klassenkampf zu- und nicht abgenommen, stellte der Finanzminister fest. Es sei nicht von allen gut geheißen worden, dass die Wirtschaft entlastet wird. Die alte Sozialpartnerschaft sollte in eine "Standortpartnerschaft" umgewandelt werden. Forschung sei zudem wichtiger als jede Headquarter-Politik. Gerade in der Forschung klafften zu Asien und den USA aber tiefe Lücken: Europa müsse 500 Mrd. Euro mehr in Forschung und Entwicklung investieren, um die Kluft zu schließen.

Für 2016 überlegt der Finanzminister eine Investitionszuwachsprämie für Klein- und Mittelbetriebe, wie er heute ankündigte. (APA, 13.11.2015)