Projektleiter Héctor Rodríguez will, dass das in Yachay entstandene Wissen der Allgemeinheit und der Umwelt dient und nicht, um private Gewinne zu maximieren.

Urcuquí – Der erste Eindruck aus der Ferne ist pompös. Riesige, weiße Buchstaben à la Hollywood stechen aus der ockerbraunen Andenlandschaft hervor und machen auf das jüngste Lieblingsprojekt von Ecuadors Präsident Rafael Correa aufmerksam: Yachay, auf Quechua "Wissen". Das künftige "Silicon Valley der Anden" ist ein einziger Superlativ. Aus der ehemaligen Zuckerhacienda eines Expräsidenten soll auf 4500 Hektar die größte Wissens- und Technologiestadt Südamerikas werden und Ecuador ins 21. Jahrhundert führen. "2012 waren 60 Prozent unserer Exporte Primärgüter wie Nahrungsmittel und Rohstoffe, bis 2030 sollen es nur noch 30 Prozent sein", sagt Yachay-Projektleiter Héctor Rodríguez.

Im noch jungfräulichen Sitzungssaal von Yachay werkelt Rodríguez mit seinen jungen Mitarbeitern. Sie haben die halbe Welt bereist, vom deutschen Fraunhofer-Institut über das Silicon Valley in Kalifornien bis zu Technologieparks in Südkorea. Ähnliches schwebt Correa vor, deshalb hat er umgerechnet eine Milliarde US-Dollar für Yachay eingeplant.

Erst 600 Studenten in Yachay

Noch ist das Gelände nahe der Stadt Ibarra aber Brachland, gespickt mit Baustellen und vereinzelten Gebäudekomplexen. Von den geplanten 30.000 Studenten sind erst 600 hier. Doch das wenige ist vom Feinsten: Im bunt bemalten Fablab, der offenen Werkstatt, die gemeinsam mit der US-Technologiehochschule MIT konzipiert wurde, brüten Studenten gerade über einer Präsentation für einen Hochschulwettbewerb.

Mittelfristig soll aus Yachay eine fahrradfreundliche Ökostadt werden, die mit erneuerbaren Energien funktioniert, von den umliegenden Bauern mit gesunden Lebensmitteln beliefert wird und an deren Schulen finnische Lehrmethoden angewendet werden. Forschung und Unternehmergeist sollen sich befruchten.

"Yachay ist überflüssig"

Das klingt alles so rund, dass man eigentlich nichts dagegen haben kann. Doch: "Yachay ist überflüssig und schwächt die bestehenden Universitäten und Forschungseinrichtungen", sagt der Professor für nachhaltige Entwicklung an der Andenuniversität in Quito, Arturo Villavicencio. Die Rolle einer Universität sei für ihn nicht, Produkte zu erfinden, sondern Forscher auszubilden. Für ihn handelt es sich um eine Laune Correas, ein elitäres, für das kleine Andenland überdimensioniertes Milliardengrab.

Um renommierte Professoren in die Einöde zu locken, zahle die Regierung überhöhte Gehälter von bis zu 16.000 US-Dollar im Monat. "Die Partnerschaften mit Instituten weltweit sind viel Brimborium, meist kommen sie über englische Sprachkurse oder etwas Informationsaustausch nicht hinaus", kritisiert Villavicencio.

Auch von politischen Ränkespielen und Machtkämpfen ist Yachay nicht ausgenommen. Unlängst wurde der spanische Rektor Fernando Albericio gefeuert, weil er anprangerte, dass sich die Aufsichtsräte gegenseitig überteuerte Beraterverträge zuschanzten. Sein Nachfolger José Andrade – eines der Aufsichtsratsmitglieder – warf Albericio Ineffizienz vor. Andrade selbst bezieht nun ein Gehalt in Yachay, lebt und forscht aber in den USA. (Sandra Weiss, 13.11.2015)