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Flavia Pennetta und Roberta Vinci, die beiden Tennis-Finalistinnen der US-Open im September dieses Jahres, umarmen sich lange und innig.

Foto: ap (Julio Cortez)

Was ich an den italienischen Feministinnen so mag, ist ihr Talent dafür, Denkbewegungen und Paradigmen auf eine kurze sprachliche Formel zu verdichten, an der sich dann Debatten entzünden und das Denken sich gewissermaßen "einhaken" kann. Sachen wie "Das Patriarchat ist zu Ende", "Von sich selbst Ausgehen", "der Wille zu siegen" oder "Von der Abwesenheit profitieren".

In einem aktuellen Text (italienisch) von Paola Mammani habe ich nun wieder eine Formulierung gefunden, die mir seit einigen Tagen im Kopf herumspukt, und zwar "Omosessualità femminile e donne felici", also "Weibliche Homosexualität und glückliche Frauen". Offenbar stand die Frage zur Debatte, mit welchem Bild man ein Zeitungscover zu diesem Thema betiteln würde, und Mammani kam dazu sofort ein Foto in den Sinn, auf dem sich Flavia Pennetta und Roberta Vinci, die beiden Tennis-Finalistinnen der US-Open im September dieses Jahres, fest, lang und zärtlich umarmen (ich sollte wieder mehr Tennisspiele anschauen)!

Bilder als Vermittler grundlegender Wahrheit

Daneben, so schreibt sie, hätte sie ein anderes Foto gestellt, auf dem Pennetta, die Siegerin, und ihr Verlobter sich im Anschluss an das Match küssen, und dazu hätte sie die Unterschrift "Heterosexualität" gestellt. Mammani erklärt das so: "Mir scheint, das sind zwei Bilder, die eine grundlegende Wahrheit vermitteln, die aber leicht übersehen wird: dass Homosexualität von Frauen gemacht wird, die einander Zuneigung, Liebe, Wertschätzung entgegenbringen und dass die Heterosexualität eine ähnliche Verbindung ist, die eine Frau mit einem Mann pflegt. Dass weibliche Homosexualität da ist, vor den Augen aller, ein Mehr und eine Möglichkeit für jede Frau, die damit anfangen will, sie zu sehen, sie wahrzunehmen und zu kultivieren."

Die verlorene weibliche Homosexualität

Das Ganze erinnert an die Idee von Adrienne Rich vom "lesbischen Kontinuum", und tatsächlich ist diese Vorstellung, dass weibliche Homosexualität mehr (und anderes) ist als eine bestimmte Form von Familie oder eine bestimmte Form von Sexualität, heute irgendwie manchmal verloren gegangen.

Zwischen dem politischen Einsatz für mehr legale Familienrechte für schwule und lesbische Paare auf der einen Seite und queerfeministischer Neubewertung von Geschlechteridentitäten auf der anderen Seite bleibt leider oft das auf der Strecke, was für die Frauenbewegung vor dreißig, vierzig Jahren eigentlich das viel Wichtigere war: nämlich eine Kultur zu schaffen, in der Frauen ihre Beziehungen untereinander auf allen Ebenen wichtig nehmen, einander ihre Aufmerksamkeit, Zuneigung, Liebe und Unterstützung schenken und nicht dauernd auf Männer fixiert sind (was andererseits nicht bedeutet, dass sie gar keine Beziehungen zu Männern haben dürfen oder sollen). Also das, was in Deutschland dann unter Affidamento diskutiert wurde – hier auch ein guter Artikel von Dorothee Markert dazu.

Wer will ich sein?

Mit diesen Gedanken im Kopf stand ich neulich, weil ich Zeit überbrücken musste, in einer Bahnhofsbuchhandlung und kaufte die mir bis dahin völlig unbekannte Zeitschrift "Working Women". Es ist eigentlich eine recht unspektakuläre Zeitschrift, aber mit einem klaren Bewusstsein für dreierlei: erstens, dass es nicht darauf ankommt, sich bei der eigenen Lebensplanung an Männern zu orientieren oder sich von ihnen abzugrenzen, sondern darum, angesichts der Umstände realistisch das Beste zu machen, was einer möglich ist. Zweitens: dass andere Frauen dabei die entscheidende Ressource und Hilfe sein können. Und drittens: dass Weiblichkeit ein Faktor ist, der bei alldem eine Rolle spielt, manchmal nützlich und manchmal hinderlich, nie jedoch etwas, das die eigenen Möglichkeiten und Wünsche definiert oder festlegt.

Sei lieber Königin als Prinzessin

Neben allen möglichen Artikeln im Umfeld von "Frauen teilen ihre Erfahrungen, geben Ratschläge und erzählen, was sie erlebt haben, weil andere daraus vielleicht was lernen können" gab es dezidiert auch einen langen Artikel zum Thema "Nicht ohne meine Kollegin" (über Frauenpaare, die etwas in der Welt bewegen, wie Merkel/von der Leyen, Navratilova/Evert, Fitzgerald/Monroe und noch ein paar, die ich nicht kannte) und einen Teaser mit dem Ratschlag: Sei lieber Königin als Prinzessin.

Irgendwie dachte ich: Ja, dass es solche Zeitschriften heute gibt, hat was mit alldem zu tun – mit weiblicher Homosexualität und mit glücklichen Frauen. Und es ist auch ein Zeichen dafür, dass Feminismus durchaus etwas verändert und gebracht hat. Wir sind nicht mehr am selben Punkt wie vor dreißig, vierzig Jahren. (Antje Schrupp, 13.11.2015)