Erlangen/Nürnberg – Drastische Klimawandelereignisse hat die irdische Biosphäre schon vielfach über sich ergehen lassen müssen. Was den aktuellen, vom Menschen verursachten Klimawandel so folgenschwer macht, ist das ungewöhnlich hohe Tempo, in dem er abläuft. So lautet zumindest die allgemeine Annahme, die aber nicht vollständig korrekt sein muss, wie die Universität Erlangen-Nürnberg berichtet.

Kurzfristige Trends nicht berücksichtigbar

Wissenschafter um den Paläobiologen Wolfgang Kießling legten nun in "Nature Communications" eine Studie vor, derzufolge unsere Interpretation erdgeschichtlicher Klimaumwälzungen ein verzerrtes Bild der tatsächlichen Ereignisse ergeben könnte. Der Grund dafür liegt in den unterschiedlichen Zeiträumen, die für Klimaforschungen herangezogen werden. Frühere Epochen lassen sich nämlich nur auf einen Zeitraum von einigen zehntausend Jahren eingrenzen, was eine beachtliche Unschärfe ergibt: Aufs und Abs innerhalb eines solchen Abschnitts können nicht erfasst werden.

Vergleicht man dann etwa die Erderwärmung der letzten Jahrzehnte mit der Erwärmung vor 250 Millionen Jahren an der Perm-Trias-Grenze, erscheint der heutige Klimawandel rasend schnell: Die Geschwindigkeit, mit der sich die Ozeane von 1960 bis 2010 erwärmt haben, ist 0,007 Grad pro Jahr. "Das sieht nach nicht viel aus", sagt Kießling. "Aber das ist 42-mal schneller als der Temperaturanstieg, den wir über die Perm-Trias-Grenze messen können. Damals erwärmten sich die Ozeane um 10 Grad, aber da sich der Zeitbereich nur auf 60.000 Jahre eingrenzen lässt, ergibt sich rechnerisch die gering anmutende Rate von 0,00017 Grad pro Jahr."

Das Datenmaterial

Für ihre Studie haben die Forscher rund zweihundert Analysen von Klimaveränderungen aus verschiedensten Abschnitten der Erdgeschichte zusammengetragen. Dabei wurde deutlich, dass die scheinbare Geschwindigkeit des Klimawandels umso geringer ausfällt, je länger die Zeiträume sind, über die man Erwärmungs- oder Abkühlungsphasen betrachtet.

Der Grund dafür: Rapide Klimaänderungen gehen nicht über längere Zeiträume monoton in eine Richtung. Es gibt immer wieder Phasen, in denen die Temperaturen stagnieren oder sogar sinken – das ist auch in der aktuellen globalen Erwärmung zu beobachten. "Solche schnellen Schwankungen können wir mit den verfügbaren Untersuchungsmethoden bei vergangenen Klimaänderungen jedoch nicht nachweisen. Als Folge davon gaukeln uns die Daten vor, dass der Klimawandel selbst bei den großen Katastrophen der Erdgeschichte immer viel langsamer als heute war. Das war er aber nicht", sagt Kießling.

Berücksichtige man diesen sogenannten Skalierungseffekt, stehe die Erwärmung an der Perm-Trias-Grenze – die immerhin mit dem größten Massenaussterben der Erdgeschichte einherging – dem heutigen Klimawandel in Sachen Geschwindigkeit in nichts nach. (red, 15. 11. 2015)