Wien – Als der italienische Volkskomödiant Dario Fo 1974 seine Farce Bezahlt wird nicht! schrieb, war die Welt noch in Ordnung. Das heißt natürlich: Sie stand definitiv vor dem Abgrund. Aber wie herrlich unverkrampft, wie übersichtlich und sonnenklar nehmen sich aus heutiger Perspektive die Arbeitskämpfe von damals aus. Sogar im Wiener Theater Akzent stellt sich dieser Tage unweigerlich ein Gefühl von Nostalgie ein.

Die italienische Arbeiterbewegung war wild und widersetzlich. Immer störrischer rissen sich die Eurokommunisten los vom Moskauer Gängelband. Die Kultur fand Eingang in die Herzen der Werktätigen. Maurizio Pollini und Claudio Abbado musizierten in Betriebshallen, die Theatertruppe von Fo und Franca Rame stellte ihre Volksstücke offen zur Diskussion. "Mit Arbeitern und Avantgarden verschiedener Mailänder Fabriken", wie Fo nicht ohne stille Genugtuung in einem späteren Kommentar zu Bezahlt wird nicht! vermerkt hat. Da war er bereits Literaturnobelpreisträger.

Das Wiener Theater Akzent in seinem schillernden Gewerkschaftsbarock ist eine merkwürdige Herberge für eine Fo-Farce. Die Paarwohnung in einer schäbigen Zinskaserne ist mit einfachsten Mitteln hergestellt (Bühne: Markus Liszt). Regisseur Hubsi Kramar hat aber auch sonst ganze Arbeit geleistet. Das Stück handelt von einem Akt der Notwehr. Eine Meute Proletarierinnen setzt sich im Supermarkt gegen die Heraufsetzung der Lebensmittelpreise zur Wehr. Man zahlt die "alten" Preise oder reißt sich die Güter einfach unter den Nagel.

Wohin mit dem Essen?

Wohin nun aber mit dem Raubgut? Das Ereignis der Aufführung ist die Hausfrau Antonia (Asli Kislal). Da ihr Gemahl Giovanni (Markus Kofler) das Paradebeispiel eines ebenso gemütvollen wie gesetzestreuen Fließbandarbeiters darstellt, kann sie die blindlings erraffte Beute – Hundefleisch, Vogelfutter, Kaninchenköpfe – nicht gut umtauschen gehen. Was genießbar ist, wird versteckt. Wo aber wären die Fressalien besser aufgehoben als unter den Röcken hitzköpfiger Arbeiterinnen?

Die wahre Avantgarde, so wird gezeigt, sind unbedingt immer die Frauen. Ihre Mundwerkzeuge gebrauchen sie wie Schwerter. Kramar hat Fos Text in ein makelloses Wienerisch umgegossen, die Pointen sind zwerchfellerschütternd. Am liebsten würde man mit einem Carabiniere wie Stefano Bernardin vom Fleck weg eine neue Arbeiterpartei gründen! Eine Produktion, fast zu schön, um wahr zu sein. (Ronald Pohl, 11.11.2015)