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Wien/Genf – In Österreich werden benachteiligte Gruppen zu wenig vor Hetze, Diskriminierung und Polizeigewalt geschützt: Diesem Vorwurf musste sich Justizminister Wolfgang Brandstetter als Vertreter der Bundesregierung bei der Universellen Menschenrechtsprüfung (UPR) durch die Vereinten Nationen am Montagvormittag in Genf stellen. Bei der Staatenprüfung wird die Menschenrechtssituation des Landes alle vier Jahre überprüft. Im Vorfeld werden dem Komitee ein offizieller Staatenbericht und Schattenberichte der Zivilgesellschaft übermittelt.

Hetze im Wahlkampf

Viele Mitgliedsstaaten meldeten sich zu Wort, um die steigende Hetze in Österreichs Medien und Wahlkampagnen zu kritisieren. Die Verhetzung ethnischer und religiöser Minderheiten bleibe zu oft folgenlos, so der Tenor einiger Empfehlungen anderer Staaten an Österreich. Brandstetter hielt der Kritik die Novellierung des Verhetzungsparagrafen entgegen, die mit 1. Jänner 2016 wirksam wird. Doch gab es auch im Vorfeld der Novellierung die Kritik, dass weiterhin viele Verhetzungsvorfälle straffrei bleiben würden.

Ein zu lasches Vorgehen gegen Diskriminierung dominierte viele der abgegebenen Stellungnahmen. So sorgte für Kritik, dass Österreich weiterhin die Ehe nicht für gleichgeschlechtliche Partnerschaften öffnet.

Bemängelt wurde auch, dass der Schutz vor Diskriminierung nur am Arbeitsmarkt alle betroffenen Gruppen umfasst, in anderen Bereichen aber Benachteiligungen aufgrund des Alters, des religiösen Bekenntnisses und der sexuellen Orientierung nicht sanktioniert. In der Vergangenheit hatte es seitens der Regierungsparteien mehrere Anläufe gegeben, dies zu ändern, jedoch scheiterte es bislang an einem mangelnden Konsens in der Koalition.

"Wo immer es Diskriminierung gibt, muss sie bekämpft werden", sagte Brandstetter, legistische Maßnahmen seien aber nicht alles, es brauche auch Bewusstseinsbildung und Prävention.

Als besorgniserregend wurden auch zunehmende rechtsextreme Tendenzen bezeichnet, auch die hohen Inhaftierungszahlen gaben Anlass zur Kritik.

Kritik an Polizeigewalt

Das Thema Polizeigewalt war ebenfalls Top-Thema beim Hearing im Genf. Schon bei der letzten Prüfung im Jahr 2011 hatten Vorfälle von Polizeiübergriffen und deren unvollständige Aufklärung und Sanktionierung in Österreich für Kritik gesorgt.

Gelobt wurde zwar, dass Österreich einen Nationalen Aktionsplan zum Schutz von Frauen vor Gewalt beschlossen hat. Bei der strukturellen Benachteiligung von Frauen am Arbeitsmarkt und bei der Teilhabe an politischen Ämtern sei aber nach wie vor viel aufzuholen, hieß es in Genf. Vor allem die klaffende Einkommenslücke und die starke Dominanz von Frauen in Teilzeit- und Niedriglohnjobs wurden kritisiert.

UPR-Expertin Marianne Schulze von der Initiative menschenrechte.jetzt spricht im STANDARD-Livekommentar von einer "sehr launigen Performance Brandstetters, die Selbstkritik war sehr gering dosiert, da war (der frühere Vizekanzler Michael, Anm.) Spindelegger vor vier Jahren differenzierter".

Die Regierung hat nach dem Vorliegen der schriftlichen Empfehlungen am Mittwoch einige Tage Zeit, um zu entscheiden, welche der Empfehlungen sie annimmt.

Im Jahr 2011 gab es 171 Empfehlungen, von denen 131 angenommen wurden.

Kritik kam am Montag vom Klagsverband zur Durchsetzung der Rechte von Diskriminierungsopfern. Es sei kein Wunder, dass sich einige Kritikpunkte den Empfehlungen des Jahres 2011 ähnelten: "Die Regierung hat in den vergangenen vier Jahren nur wenige Empfehlungen tatsächlich umgesetzt", so der Verband. (Maria Sterkl, 9.11.2015)