Mittwoch, neun Uhr abends, Sportplatz Marswiese, Flutlicht – es regnet. Der Trainingsplatz des Frauenfußballteams der Dornbach Sox ist ein Kunstrasenplatz im 17. Wiener Gemeindebezirk. Dieser ist von einem Käfig umzäunt und hat nicht einmal die Maße eines richtigen Kleinfeldplatzes. Die Spielerinnen würden gerne auf einem größeren Feld trainieren, um die einstudierten Spielzüge in einer wettkampfgetreuen Umgebung auszuprobieren. Einen eigenen Platz zum Bespielen ausfindig zu machen ist aber in Wien schwer und vor allem teuer – schließlich müssen die Spielerinnen für die Platzmiete der Trainingseinheiten selbst aufkommen. Auf der Marswiese sind die Platzverhältnisse und -kosten im Verhältnis noch relativ gut. Eine bessere Anbindung an die öffentlichen Verkehrsmittel würden sich die Spielerinnen wünschen, denn die Busse kommen nur halbstündlich. Die Marswiese ist im wahrsten Sinne "der Sportplatz im Grünen".
Trotz der verbesserungswürdigen Voraussetzungen wird das Training von den Trainierenden ernst genommen. Alle Spielerinnen zeigen vollen Einsatz, feuern sich gegenseitig an und motivieren sich, sodass die letzten Kräfte für das abschließende Trainingsmatch mobilisiert werden können. Gleichzeitig darf der Spaß nicht zu kurz kommen – es wird viel gelacht und gescherzt. Während des Matches am Ende des Trainings gibt der Trainer immer wieder konstruktive Anweisungen. Er fordert von seinen Kickerinnen viel Kommunikation am Platz und gibt Tipps um eine 1-gegen-1-Situation gut verteidigen zu können.
Strukturelle Voraussetzungen
Die Spielerinnengemeinschaft der Dornbach Sox gibt es bereits seit 1994. Der Verein besteht aus der Männermannschaft und dem Frauenteam, wobei kaum Kontakt zwischen ihnen besteht. Auch mit der Vereinsorganisation beziehungsweise den vereinsführenden Personen gibt es seitens der Frauen keinerlei (administrative) Verbindungen. Die Spielerinnen sehen sich als finanziell und strukturell eigenständig und haben einfach nur den Vereinsnamen übernommen. "Stephan ist unser Trainer, Kassier und alles in einem", geben die Spielerinnen an.
Trainer Stephan Vlcek betreut das Team ehrenamtlich seit 2002. Die Spielerinnen danken dem Trainer für seinen unermüdlichen Aufwand und Einsatz nicht nur mit Siegen, sondern versuchen auch immer mit kleineren Aufmerksamkeiten wie T-Shirts, einem Skitag oder Ähnlichem ihre Wertschätzung für seine Tätigkeit auszudrücken.
Aber auch die sportlichen Erfolge der "Socken" können sich sehen lassen. Vergangene Saison konnten die Frauen den Meisterinnentitel zum zweiten Mal in Folge nach Dornbach holen und auch die alljährliche Teilnahme am Ute-Bock-Cup ("Ein Pflichttermin") wurde 2015 mit dem Sieg des Frauencups prämiert.
Nicht nur am Platz zusammenstehen
Das Team selbst besteht aus etwa zehn bis zwölf Stammspielerinnen und dem Trainer. Immer wieder kommen auch ehemalige Kickerinnen und Gastspielerinnen zum Training und werden gern aufgenommen, denn "es fehlen immer mindestens zwei bis drei Spielerinnen" aufgrund von Verletzungen, Arbeitsverpflichtungen oder zeitintensiven Studien aus, erläutert uns Spielerin Julia Siart und ergänzt: "Fußball ist halt für uns voll das Hobbyding."
Der derzeitige Kern des Teams spielt seit etwa drei Saisonen zusammen. Viele der Spielerinnen sind über Freundinnen und Freunde zum Team gekommen oder haben über bekannte Menschen von den Dornbach Sox erfahren. Die Spielerinnen haben abseits des Rasens unterschiedlichste Hobbys und machen verschiedenste Ausbildungen, sodass sie sich – wie die Spielerinnen berichten – wahrscheinlich im Leben ohne den Sport eher nicht begegnet wären oder gar angefreundet hätten. Aber trotz der Unterschiedlichkeiten und diversen Interessen "funktioniert das Zusammenspiel beim Fußballspielen irgendwie sehr gut", erzählt Spielerin Lisa-Marie Grabner.
Viele der Fußballerinnen haben früher Einzelsportarten ausgeübt und empfinden nun das Trainieren und Spielen im Team als großen persönlichen Gewinn. "Fußball ist ein cooler Mannschaftssport. Ich war immer nur Einzelsportlerin und es ist was ganz anderes, in einer Mannschaft zu spielen. Mann muss auch mal leise sein und für das Gemeinwohl den Mund halten", fasst Spielerin Lisa Fröhlich zusammen.
Menschlichkeit ist Konsens
Auch abseits des Spielfelds werden regelmäßig gemeinsame Aktivitäten unternommen, wie beispielsweise Skiwochen, selbstorganisierte Trainingslager, Konzertbesuche sowie Lauf- und Intervalltrainings. Gemeinsam ist allen Spielerinnen, dass sie eine ähnliche politische Einstellung haben, was sich darin zeigt, dass sie zusammen auf Demonstrationen gehen und sich an Hilfs- und Unterstützungsaktionen (derzeit starkes Engagement in der Flüchtlingshilfe) als Team beteiligen.
DSG ist die Sportorganisation der Erzdiözese Wien. Die DSG-Fußball-Liga wurde von der katholischen Kirchengemeinschaft gegründet, um Menschen durch Sport die Möglichkeit zu bieten, "Gemeinschaft mit Gleichgesinnten zu erleben" sowie Fairness und Miteinander in der Realität erlebbar zu machen. Auch wenn die Spielerinnen der Sox keinerlei (religiöse) Verbindungen zu der Diözesangemeinschaft haben, mit den Werten Fairness und gutes Miteinander können sie sich identifizieren. "Wir sind für Menschlichkeit", so drückt es Spielerin Theresa Wirth aus.
In der DSG-Frauenfußball-Liga wird auf einem Kleinfeld gespielt. Das Regulativ besagt, dass pro Team jeweils fünf Feldspielerinnen und eine Torfrau auf dem Platz stehen müssen und Spielerinnen durch fliegenden Wechsel getauscht werden dürfen. Die Spielzeit beträgt 2 mal 30 Minuten. Ein weiterer Unterschied zu den Großfeldregeln ist, dass die Spielerinnen auch blaue Karten (zeitlich begrenzter Spielausschluss) kassieren können, was bei den Kickerinnen der Sox sehr selten vorkommt, da sie insgesamt wenige Fouls begehen und gleichzeitig auch wenig gefoult werden.
Die Fanbase
Am Spielfeldrand feuern die wenigen, aber dafür sehr engagierten Fans – die Dornbach Pyros – ihre Heldinnen lautstark an. Der selbstorganisierte Fanclub hat einen Banner mit der Aufschrift "Hate Fascism, Love the Dornbach Sox" angefertigt und Sticker – "Support Your Local Heroines" und "Dornbach Sox against Sexism" – produziert, die verteilt werden. Ferner werden alle Ergebnisse sowie Matchfotos und sogar Videos auf der eigens eingerichteten Tumblr-Page der Sox veröffentlicht. Die Spielerinnen selbst haben bisher kaum diskriminierende Erfahrungen erleben müssen und sehen die Slogans ihres Fanclubs daher eher als politisches Statement, das sie unterstützen. (Katrin Oberhöller, Gregor Unfried, 11.11.2015)