Wien – In der Flüchtlingsdebatte kritisiert der niederösterreichische Landeshauptmann Erwin Pröll neuerlich Bundeskanzler Werner Faymann und mahnt die Führungsrolle des Regierungschefs ein. Vizekanzler Reinhold Mitterlehner bezeichnet unterdessen einen langen Grenzzaun als "absolute Notlösung". Und im Innenministerium sollen zur Grenzsicherung in Spielfeld derzeit drei Varianten im Gespräch sein.

Pröll (ÖVP) nennt im "Kurier (Sonntag-Ausgabe) den Auftritt Faymanns (SPÖ) in der "ZiB2" in dieser Woche zur Frage eines Zauns "nicht gerade professionell. In dieser herausfordernden Situation hat der Kapitän auf der Brücke zu stehen, die Hebel in die Hand zu nehmen und sich nicht mit semantischen Tricks um die klare Antwort zu drücken. Die Menschen spüren, dass mit einer derartigen Vorgangsweise die Souveränität des Staates ins Wanken gerät", meint der Landeshauptmann. In so einer Situation "die Diskussion auf Zaun oder nicht Zaun zu reduzieren, ist eines Staates unwürdig".

Auch die aus der SPÖ kommende Kritik an dem Modell von Asyl auf Zeit ist für Pröll ein Hinweis, '"dass es an Führungsautorität mangelt. Bei einem derartig wichtigen Instrument, mit dem man internationale Signale aussendet, erwarte ich mir, dass man wenigstens da den Grundkonsens in der Republik hochhält."

350-Kilometer-Zaun "absolute Notlösung"

Für Mitterlehner ist die Diskussion um den Zaun "absolut unnotwendig", weil es unbestritten sei, dass es eine Steuerungsmöglichkeit für den Zugang geben müsse. "Einen Grenzzaun auf der gesamten Linie brauchen wir nur dann, wenn Deutschland wirklich damit beginnt, keine Flüchtlinge mehr aufzunehmen. Ich nehme aber derzeit nicht an, dass das der Fall sein wird. Eine isolierte Vorgangsweise Österreichs mit einem 350-Kilometer-Zaun wird es so nicht geben, das ginge nur in Abstimmung mit anderen Ländern und wäre eine absolute Notlösung", sagt der Vizekanzler in der "Presse am Sonntag".

Während die SPÖ einen Drei-Punkte-Plan für sichere Grenzkontrollen mit einer Kommandozentrale in der Grenzregion, einem Leitsystem in Spielfeld und einer Aufteilung des Flüchtlingsstroms auch auf Radkersburg und Mureck vorgelegt hat, sind laut Tageszeitung "Österreich" im Innenministerium noch drei Varianten im Gespräch. Beim ersten Szenario soll es eine massive Absicherung des Grenzüberganges mit einem kilometerlangen Zaun geben. Variante zwei sieht sogenannte Wellenbrecher und einen kürzeren Zaun vor. Die dritte Möglichkeit kommt den SPÖ-Vorstellungen am nächsten und sieht provisorische technische Sperren vor, die schnell wieder entfernt werden könnten und durch die der Zustrom der Flüchtlinge in Wartezonen geregelt werden könnte.

Auf ein konkretes Modell verständigen könnte sich die ÖVP am heutigen Sonntagabend in einer Sitzung des Parteivorstandes und am Montag dann in der Bundesparteileitung.

Sammelstelle in Spielfeld leer

Undterdessen sind erstmals seit Beginn der derzeitigen Flüchtlingslage die beiden Erstversorgungsstellen in Spielfeld und in Bad Radkersburg leer. Die Migranten wurden in der Nacht mit Bussen zu ihren Notquartieren in Österreich verbracht, wie die Polizei Sonntagfrüh mitteilte.

Die beiden Erstversorgungsstellen werden demnach nun einer Grundreinigung unterzogen. Für Sonntag wurde ein Sonderzug mit einer nicht bekannten Zahl an Migranten in Sentilj beim Grenzübergang Spielfeld erwartet, aus Gornja Radgona (Grenzübergang Bad Radkersburg) lagen keine Informationen vor.

In den nächsten Tagen könnte es wieder zu einem Anstieg der Flüchtlingszahlen kommen, da der Streik der Fährarbeiter in Griechenland in der Zwischenzeit beendet wurde und wieder eine Anbindung zu den griechischen Inseln besteht. (APA, 8.11.2015)