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Flor: im schönen Transitland.

Foto: APA/ERWIN SCHERIAU

Es hat übrigens niemand die Absicht, Mauern zu errichten, nicht in diesem historisch so schön zusammengewachsenen Kontinent, nicht in einem so schön zusammengewachsenen Land, wenigstens nicht in Deutschland, diesmal nicht.

Und in Österreich schon gar nicht, solange Österreich den einen oder anderen Schleusungskorridor aufrechterhalten kann, das läuft aber ganz gut, nicht nur in diesem schönen Transitland, das seine Schönheiten aber zu verbergen trachtet, damit der Transit nicht aufgehalten wird; mit dieser Übung in Bescheidenheit steht es auch keinesfalls allein da, es gibt noch ganz andere schöne Länder, die eifrig den Menschenverkehr befördern, das reicht schon an eine optimierte Förderkette heran, man kann ja nicht an jedem Ort, den niemand will und in dem niemand bleiben will, gleich Mauern bauen und exklusive Räume definieren, in denen der Einschluss dann gleich inklusive ist.

Zum Ausschluss reichen Stachelkränze leider Gottes nämlich auch nicht aus, das sieht man nebenan in Ungarn, nur so als Inspirationsquelle, die haben dafür durchaus ästhetische Qualitäten. Das kann was, so eine Drahtrolle, nur leider reißt sie unschöne Wunden in Fremdkörper, die sich unter ihr durch zwängen.

Dafür steht sie in einer schö- nen Traditionskette, die krönt sie eigentlich, genau genommen, wenn sich denn eine Kette krönen ließe: Das Königs-K wurde aus dem gemischten Doppel sehr anständig herausgearbeitet, das muss mal festgehalten werden, nicht gleich in Stein. (In diesen Gegenden hat man es traditionell nämlich weniger mit Mauern, mehr mit Eisernen Vorhängen, die sich die Kinder des Kalten Kriegs in erster Annäherung an die Begrifflichkeit als Theaterdekoration vorstellen durften, bunt und in neobarockem Stil gehalten).

Man bleibt gern unter sich und sortenrein, wenn das nicht um sich greift! Dann werden wir mit dem Sortieren nicht mehr fertig.

Der Transit besteht aus einer Summe flüchtiger Begegnungen zwischen der durchquerten Landschaft und den sie durchquerenden Menschen, Letztere meist in Zug- oder Businnenräumen, manchmal auch zu Fuß, hinter den Polizeiautos her wie hinter dem Lehrkörper, das ist wie beim Wandertag!

Der geht mit uns durch, dieser flüchtige Transit, und setzt sich höchstens fest in Transiträumen, träumen vom Transit wird man noch dürfen, und behüten dürfen wird man die Träume auch. Eingezäunt werden sollen höchstens grenznahe Zonen, die sich dann offiziell nicht entscheiden werden können, auf welcher Seite sie liegen, die sind dann: niemandsländlich, ein bisschen hinterwäldlerisch inmitten der grenzenlosen europäischen Idee, wie praktisch.

Da kann schon mal die Integration in die nichtstaatliche Existenz eingeübt werden von den Insassen, das sind ja auch irgendwie deplatzierte Personen. Deplatzierte Zonenpersonen, vom innerstaatlichen Platz gewiesen, einem Platz zugewiesen im Träumeland, immer nur: Die zweite rechts und dann geradeaus bis morgen! Das schafft aber niemand, dieses Ziel zu erreichen, das ist nicht zu schaffen, nicht von den Menschen, die in diesen Exterritorialbereich hineinsollen, und auch nicht von denen, die vor den Menschen, die dort womöglich aber wieder herauswollen, bewahrt werden sollen, den Menschen nämlich in den dem Staat durchaus eingemeindeten Gemeinden, ganz braven Staatsbürgergemeinden, bei allem guten Willen, und der ist durchaus da.

Und weil nicht nur der gute Wille anwächst und eine allseitige Überforderung, wie sie Krisen immanent ist, sondern so manches andere gleich mit, ist mit dem Anwachsen von Schlimmerem zu rechnen, vom Schlimmsten gar nicht zu reden, das angeblich durch das Schlimmere verhütet werden soll – das Schlimmste mit dem Schlimmeren ausgetrieben, wann hätte das je funktioniert?

Das Schlimmste, das mit dem Schlimmeren verhütet werden soll, wird aber doch stets nur befördert, wenn man die Deutungshoheit den Brandsätzen überlässt: Stacheldrahtzäune, Wachtürme, Galgenattrappen, wo hört das auf? Wo geht das hin?

Geradeaus bis gestern? (Olga Flor, 6.11.2015)