Licht ins Dunkel der Bestellung und Finanzierung von Pendlerzügen muss einmal mehr das Bundesverwaltungsgericht bringen. Noch gibt es für neue Züge nach St. Pölten kein grünes Licht.

Foto: Robert Newald

Wien – Pendler, die sich vom Winterfahrplan eine schnelle Regionalzugverbindung von Wien-Westbahnhof nach Amstetten erhoffen, werden im elektronischen ÖBB-Fahrplan Scotty fünf Wochen vor Inkrafttreten nicht fündig. Stattdessen aber auf ungewöhnliche Weise vertröstet: "Der Fahrplan für die Strecke Amstetten – Blindenmarkt ... St. Pölten ... Wien-Westbahnhof konnte aufgrund von Rechtsstreitigkeiten zwischen dem Besteller der Züge und der Westbahn Management GmbH noch nicht fixiert werden", heißt es in einem Infokasten auf dem digitalen Routenplaner.

Auch aus Sicht der Arbeiterkammer Wien ist der Fall klar: Schuld an den schwarzen Löchern im ÖBB-Fahrplan ab Fahrplanwechsel am 13. Dezember ist Konkurrent Westbahn. Er verhindere die Einführung zusätzlicher schneller Regionalzüge (Rex bzw. Rex200) per gerichtlichem Einschreiten. Rechtsstreitigkeiten mögen nicht auf dem Rücken der Pendler ausgetragen werden, mahnen die AK-Konsumentenschützer deshalb seit Wochen.

Streit vor Gericht

Haltbar ist diese Argumentation nicht oder nur bedingt. Wohl sind am Verwaltungsgericht Wien und am Bundesverwaltungsgericht Verfahren gegen die Fahrplanausweitung anhängig, diese sind aber nicht Ursache der Verspätung, sondern Folge.

Hintergrund ist ein hochkomplexer Streit über die in Österreich gängige Praxis bei der Bestellung von Nah- und Regionalverkehrszügen durch den Verkehrsverbund Ostregion (VOR), den ÖBB Personenverkehr und die mit der Vergabe betraute Gesellschaft des Verkehrsministeriums Schig, also die öffentliche Hand. Da Pendlerzüge nicht kostendeckend zu führen sind, bestellt das Ministerium bei der ÖBB Zugverbindungen, um das im Gesetz über den Öffentlichen Nah- und Regionalverkehr (ÖPNRVG) festgelegte Grundangebot an Mobilität sicherzustellen.

Anschaffen und zahlen

Wünscht ein Bundesland darüber hinaus Zugverbindungen, muss es das Angebot des Bundes aufstocken und zuzahlen. Hier kommt der VOR ins Spiel, er fungiert als Koordinator und Besteller.

Ab hier wird es kompliziert. Denn Änderungen im Grundangebot – im vorliegenden Fall geht es um eine erhebliche Änderung der schnellen Regionalzüge (Rex bzw. Rex200) auf der Strecke Wien-Amstetten im Jahr 2016 (ab 13. Dezember 2015) – können wohl in Direktvergabe (also ohne Ausschreibung) der ÖBB zugeschlagen werden, Fristen und Veröffentlichungspflichten sind laut der EU-Verordnung für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen (Public Service Obligation, PSO) aber einzuhalten. Diesbezüglich war die Verhandlung am Bundesverwaltungsgericht am 30. Oktober aufschlussreich: Laut Gerichtsprotokoll lag fünf Wochen vor Fahrplanwechsel, zu dem laut Schätzung der Westbahn Management GmbH 3,8 bis vier Millionen Zugkilometer im neuen Fahrplan wesentlich geändert bestellt werden sollen, nur eine konkrete Bestellung des VOR vor, aber keine der für deren Abwicklung und Bezahlung zuständigen Schig.

Verträge "nicht abschlussreif"

Im Gegenteil. Der in der Schig für Verkehrsdienstverträge (VDV) zuständige Prokurist gab auf Nachfrage von Richter Thomas Gruber betreffend VDV-Änderungen im Fahrplan 2016 an: "Nein, solche gibt es nicht, da derzeit alles noch in einem Planungsstand und bei weitem noch nicht abschlussreif ist", sagte der Schig-Mitarbeiter, um sodann eine typisch österreichische Praxis offenzulegen. Die Unterfertigung der Fahrplanänderungen erfolge erst dann, "wenn uns der endgültige Entwurfsstand des Fahrplanes 2016 vom Auftragnehmer ÖBB Personenverkehr AG vorgelegt" und dieser abschließend geprüft wurde.

Nachprüfung statt Vorabtest

Heißt auf gut Deutsch: Die gesetzlich verordnete Vorabprüfung des Zusatzangebots ist in der Praxis gar nicht möglich, die Schig kann ja erst prüfen, wenn die ÖBB die Leistungen längst auf Schiene gebracht hat. Änderungen im Fahrplan 2013 (gültig ab Dezember 2012) genehmigte die Schig im Februar 2014.

Nicht weit her ist es auch mit der Transparenz beim öffentlichen Geld, mit dem diese Öffi-Verkehre finanziert werden. Westbahn schätzt den Aufwand für das gesamte zu bestellenden Angebot auf 35 bis 40 Millionen Euro. Genaues ist nicht zu erfahren, denn der Anwalt des Verkehrsministeriums, die Finanzprokuratur, lieferte geschwärzte Akten. Da keine Bestellung vorliege, gebe es keinen neuen Fahrplan und auch keine Abgeltungssätze pro Zugkilometer – und natürlich auch keine Überkompensation der ÖBB-Leistungen durch die öffentliche Hand, wie Westbahn argwöhnt. Die zu Vergleichszwecken begehrten Sätze aus Vorjahresverträgen wurden unter Hinweis auf das Geschäftsgeheimnis verwehrt.

"Im Planungsstadium"

Die ÖBB ist sich des Problems inzwischen bewusst, der am 30. Oktober noch harsch formulierte Hinweis im Scotty klingt seit Anfang November moderat: "Der Fahrplan für die Strecke Amstetten ... St. Pölten ... Wien-Westbahnhof befindet sich für 2016 noch im Planungsstadium und in Prüfung mit Verkehrspartnern, Bestellern und Mobilitätsdienstleistern." (Luise Ungerboeck, 6.11.2015)