Unter reger Anteilnahme der in- und ausländischen Öffentlichkeit wird heute, Freitag, in Budapest Árpád Göncz beigesetzt, Ungarns erster demokratischer Präsident. Der bürgerlich-liberale Politiker hatte das höchste Staatsamt von 1990 bis 2000 inne und starb am 6. Oktober mit 93 Jahren. Zu der Verabschiedung auf dem Friedhof von Óbuda wird auch Bundespräsident Heinz Fischer erwartet.

Göncz war nie ein großer Macher oder Entscheider, aber kraft seiner Vita und seiner bescheidenen Art ein moralischer Leuchtturm, der in Ungarns turbulenter Nachwendezeit demokratische Haltung vorlebte. Der Jurist, Schriftsteller und Übersetzer betätigte sich im Widerstand gegen die Nationalsozialisten, nahm an der antikommunistischen Revolution von 1956 teil und büßte dafür mehrere Jahre im Gefängnis. Vor der Wende schloss er sich der demokratischen Opposition an. Er war Mitgründer des – heute praktisch nicht mehr existenten – liberalen Bundes Freier Demokraten (SZDSZ). Als dessen Repräsentanten wählte ihn das Parlament 1990 und 1995 zum Staatsoberhaupt.

In seinem letzten Willen hatte sich Göncz ausdrücklich kein Staatsbegräbnis gewünscht, wie es ihm als ehemaligem Präsidenten zustünde. Der heutige Trauerakt ist daher informeller Natur. Bundespräsident Fischer erweist Göncz sozusagen als Privatmann die letzte Ehre. Reden halten lediglich Imre Mécs, ein enger Freund und Weggefährte aus der 56er-Revolution, und der Erzabt der Benediktinerabtei von Pannonhalma, Asztrik Várszegi.

Für Spannungen sorgte die Ankündigung des rechtspopulistischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán, ebenfalls an dem Trauerakt teilnehmen zu wollen. Zwar kommt Orbán aus einer liberalen Jugendbewegung, die damals mit dem SZDSZ verbündet war, doch sein heutiges Wirken stellt die Antithese zum Lebenswerk von Göncz dar – nach eigener Darstellung schafft Orbán den liberalen, westlich ausgerichteten Staat ab.

Keine Ausgrenzung

Die Familie von Göncz äußerte sich bislang nicht zu Orbáns möglicher Teilnahme. Menschen, die Göncz nahestanden, verweisen jedoch darauf, dass dem Verstorbenen jede Art von Ausgrenzung fremd war. Orbán, Staatspräsident János Áder und andere Politiker würden bei dem Begräbnis jedoch keine Reden halten und keine Sonderbehandlung erfahren, hieß es im Vorfeld. Vor zwei Jahren, als Orbán beim Begräbnis des von 1994 bis 1998 regierenden Sozialisten Gyula Horn erschien, erntete er Pfiffe. (Gregor Mayer aus Budapest, 6.11.2015)