Peter Kropsch (links) ist ab September 2016 Manager und ab Anfang 2017 vorsitzender Geschäftsführer der deutschen Nachrichtenagentur dpa. Clemens Pig übernimmt den geschäftsführenden Vorsitz im Juli 2016.

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STANDARD: Nachrichtenplattformen wachsen im Web wie die Schwammerln. Haben Agenturen Chancen in Zukunft?

Kropsch: Man muss zwischen kommerziellen und publizistischen Modellen unterscheiden. Agenturen bieten hohe Qualität verlässlich über lange Zeit. Da sehe ich im Moment wenige Alternativen. Beim kommerziellen Modell ist das etwas anderes. Die Marke läuft plötzlich auf einem anderen Kanal. Medienmarken müssen genau aufpassen, in welchem Ausmaß sie sich darauf einlassen müssen.

Pig: Eines ist klar: Wir reden nicht pauschal von einer Medienkrise, sondern höchstens von einer Medienfinanzierungsnotwendigkeit. Die Nutzung von Onlineinhalten speziell bei mobilen Zugriffen geht deutlich nach oben. Das ist der gute Befund. Wie in dieser Entflechtung die Kapitalisierung vor sich geht, ist ein offenes Thema, und davon sind Nachrichtenagenturen in weiterer Folge betroffen.

STANDARD: Zum Führungswechsel drängt sich der Rückblick auf. Wie bilanzieren Sie die Ära Kropsch?

Pig: Ich ziehe keine Bilanz. Die Zukunft interessiert mich mehr. Die dpa ist in engem Austausch mit der APA, ich freue mich darauf, weitere Projekte zu entwickeln.

Kropsch: Ich kann ein bisschen unverklausulierter sein. Es gab einschneidende Themen: die gemeinsame Anstrengung, die freien Mitarbeiter in neue Dienstverhältnisse einzubringen. Ich danke Gewerkschaft und Betriebsrat, dass das ohne gröbere Konflikte über die Bühne gegangen ist. Beschäftigt hat uns weiters unsere internationale Ausrichtung.

STANDARD: Nicht gelungen ist, die "Kronen Zeitung" an Bord zu bringen. Die Hoffnung stirbt zuletzt?

Kropsch: Die "Kronen Zeitung" zählt nach wie vor zu unseren Topzielen. Die Anzeichen schauen derzeit so aus, dass es mir vielleicht nicht gelingen wird, aber ich gebe den Stab an den Clemens weiter.

Pig: Man muss in jedem Fall ein gutes Angebot liefern und es weiter probieren. Manche Dinge erfordern Beharrungsvermögen. Jedes Medium ist in einer Transformationsphase – wenn wir das richtige Angebot haben und sich ein Zeitfenster seitens der "Kronen Zeitung" öffnet, bin ich überzeugt, dass es gelingen kann.

STANDARD: Manager, die einen neuen Job antreten, nehmen gern Mitarbeiter mit. Ziehen Sie Leute ab?

Kropsch: Ich darf sagen, dass die Übersiedlung nach Hamburg mit der ganzen Familie nicht ganz untricky ist. Ob ich jemanden mitnehme – das ist noch so weit weg.

STANDARD: Welche Pläne haben Sie mit dem APA-Kiosk?

Kropsch: Der Kiosk ist super. Hier laufend zu investieren ist auch Teil der strategischen Vision.

STANDARD: Wie weit ist Blendle ein Konkurrent?

Kropsch: Wie sich immer wieder zeigt, tut es dem Markt ganz gut, wenn mehrere Player mit einer ähnlichen Idee auftreten. Das Thema Einzelabrufe von Ausgaben ist im Nutzungsverhalten noch nicht durch. Da wird es noch viele Spielarten geben. Medienmarken müssen sich überlegen, ob sie auf jedem Baum sitzen wollen, der frisch aus dem Boden sprießt. Ich bekomme alle Zustände, wenn wir wieder gute Ratschläge hören: Nehmt euch ein Beispiel an der Musikindustrie! Es gibt, glaube ich, keinen Zeitungsartikel, den man hundertmal konsumiert wie eine Musiknummer.

STANDARD: Die Zukunft traditioneller Medien wird allgemein gern pessimistisch bewertet. Machen Sie sich Sorgen um Ihre Kunden?

Pig: Medien tendieren dazu, sich selbst keine rosige Zukunft zu geben. Der Bedarf nach Leuchtturmfunktionen, nach Orientierung steigt aber, und den decken Nachrichtenagenturen ebenso wie die traditionellen Medienmarken. Das löst natürlich nicht das Dilemma, wie das zu finanzieren ist. Da sind wir gerade dabei, das zu lösen. Ich sehe aber überhaupt keinen Bedeutungsverlust des Journalismus. Ganz im Gegenteil.

Kropsch: Wir haben manchmal einen Problemlösungsansatz wie im Italowestern: Wenn ich das Problem erschieße, geht die Sonne auf, und alles funktioniert. Wir müssen vieles probieren und heilige Kühe schlachten.

STANDARD: Die wo wären?

Kropsch: Medien machen es uns vor. Vor 15 Jahren wäre das Zusammenlegen von Vertrieben undenkbar gewesen, heute wird kooperiert.

STANDARD: Wo sehen Sie die größten Herausforderungen in der Nachrichtenproduktion?

Kropsch: Beim Bewegtbildmarkt muss sich etwas tun, sonst landet das Geschäft komplett auf Youtube. Wir müssen ein sinnvolles Inventar an österreichischen Inhalten produzieren und reden mit unseren Eigentümern darüber, unser Bewegtbildangebot massiv auszubauen. Dabei geht es nicht um Formate wie im Fernsehen, sondern auch um kurze, schnelle Schnitte zu jeder Breaking News.

STANDARD: Mit gleichen Ressourcen womöglich. Wie geht sich das aus?

Kropsch: Wir stehen leider vor der Realität, dass die verfügbaren Mittel nicht größer werden. Unsere Eigentümer sind empfindlich, wenn der Basisdienst nächstes Jahr etwas mehr kosten soll. Wir müssen auf die Effizienz schauen.

STANDARD: Da scheinen noch einige heilige Kühe auf die Schlachtbank geführt zu werden.

Pig: Nach innen hin haben wir schöne Beispiele, wie wir Effizienz steigern. Das ist unsexy, aber es ist zu tun. Gleichzeitig gibt es viele engagierte Mitarbeiter, die das mittragen und mitgehen wollen. Ich habe nicht den Eindruck, dass es an Ideen mangelt.

Kropsch: Die Geschichte der APA ist eine permanente Suche nach dem richtigen Zeitpunkt. Wir sind im österreichischen Markt mit recht unterschiedlichen Geschwindigkeiten unterwegs. Wir investieren jedes Jahr rund drei Millionen Euro in Infrastrukturen, neue Technologien. Wir werden über kurz oder lang Programmierer in der Redaktion sitzen haben.

Pig: Das Berufsbild der Redaktion verändert sich. Es geht darum, diese Customer-Journeys zu verstehen, am unmittelbaren Bedarf anzusetzen. Das wird das Zukunftsthema sein. (Doris Priesching, 6.11.2015)