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Stammte aus Avignon, lehrte in Stanford: der Mythen- und Religionsforscher René Girard.


Foto: Guillot/APA

Wien – Sein französischer Landsmann Michel Serres nannte ihn den "neuen Darwin der Humanwissenschaften". Und in der Tat, wer das Werk des Religionswissenschafters René Girard unvoreingenommen betrachtete, kam aus dem Staunen nicht heraus. Girards Einsichten verdankten sich sorgfältiger Lektüre. Untersucht hat Girard praktisch alle Gründungstexte der abendländischen Kultur. In ihnen fand er das immer gleiche Muster abgebildet: Menschen ahmen einander nach. Ihre "mimetische" Rivalität erzeugt Spannungen, die in exzessive Gewalt münden.

Inneren Frieden finden archaischen Kulturen dadurch, dass sie sich an "Sündenböcken" schadlos halten. Deren rituelle Tötung beschreibt das wiederkehrende Muster: Es ist die Religion, die das Wissen über die reinigende Wirkung des Ritus wachhält und seine wahre Ursache zugleich gnädig verschleiert. Das Opfer verdient nach der Schlachtung göttliche Verehrung. Girard wies den Kern sakraler (Königs-)Herrschaft als die Vertagung besagten "Opfers" aus. Jetzt ist der Autor von Figuren des Begehrens in Stanford (Kalifornien) gestorben. (poh, 5.11.2015)