Wer auch immer dahintersteckt, in einer Sache sind sich alle Seiten einig: Es ist ein gefährliches Spiel mit dem politischen Feuer. Als Präsident Abdulla Yameen am Mittwoch den Ausnahmezustand über die Malediven verhängen ließ, war es der vorläufige Höhepunkt der politischen Spannungen. Diese könnten nun erstmals auch die Tourismusbranche gefährden, die 50 Prozent der Arbeitsplätze stellt. Im Hintergrund stehen die jahrelangen Spannungen um die Zukunft der Inselgruppe. Konkreter Anlass aber war eine mysteriöse Explosion auf dem Boot des Präsidenten Ende September.

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Am 28. September 2015 wird nach einer Explosion am Boot des Präsidenten ein Verletzter geborgen.
Foto: AFP/Haveeru

Um die Interpretation dieses Ereignisses herrscht heftiger Streit. Nach Darstellung der Regierung ereignete sich die Detonation, als Yameen auf dem Rückweg von der muslimischen Pilgerfahrt Hadsch sein Boot vom Flughafen zur Hauptinsel Malé nahm. Der Präsident selbst blieb dabei zwar unversehrt, seine Frau Fathimath Ibrahim und zwei Gehilfen aber wurden schwer verletzt. Die Regierung brauchte nicht lange, um von einem Anschlagsversuch zu sprechen. Zwei forensische Untersuchungsteams – eines aus Saudi-Arabien und eines aus Sri Lanka – geben ihr recht.

Bombenalarm im Urlaubsparadies

Wenig später führten Beamte einer Sondereinheit auch noch Waffen vor, die sie bei Hausdurchsuchungen gefunden haben wollen. Und dann wurde vor rund einer Woche Vizepräsident Ahmed Adeeb festgenommen. Er soll in den Anschlagsversuch verwickelt sein, heißt es. Die Anklage gegen ihn lautet auf Hochverrat, er selbst streitet jede Verwicklung ab. Das Parlament hat am Donnerstag einstimmig für ein Amtsenthebungsverfahren gegen Adeeb gestimmt.

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Waffenfund.
Foto: Reuters/Waheed

Sollte Adeeb wirklich hinter dem Anschlagsplan stecken, dann hat seine Festnahme jedenfalls keine Entspannung gebracht. In den vergangenen Tagen gab es erneut Bombenalarm. Die Polizei will einen Sprengsatz nahe der Hauptmoschee von Malé und einen weiteren in der Nähe des Präsidentensitzes entschärft haben. Folge ist der am Mittwoch für vorerst 30 Tage ausgesprochene Ausnahmezustand.

Zweifel am Tathergang

All das bezweifelt die Opposition. Sie sieht in der Unruhe einen willkommenen Anlass für den Präsidenten, um seine Machtposition zu stärken und um in der vergangenen Woche ein äußerst umstrittenes Antiterrorgesetz durchzusetzen, gegen das am morgigen Freitag demonstriert werden sollte. Sie stützten sich dabei auch auf eine am Mittwoch veröffentlichte Untersuchung der Explosion durch die US-Bundespolizei FBI. Deren Beamten konnten, anders als ihre Kollegen aus Saudi-Arabien und Sri Lanka, keinen Hinweis für eine Bombe finden.

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Der Ausnahmezustand wurde zwei Tage vor geplanten Massendemonstration der Opposition ausgerufen.
Foto: AP/Sharuhaa

Yameen wird nachgesagt, er wolle die 2008 eingeführte Demokratie auf den Inseln wieder beenden. 2013 hatte er, der Halbbruder von Exdiktator Maumoon Abdul Gayoom (1978–2008), umstrittene Neuwahlen gewonnen. Sein Vorgänger Mohamed Nasheed, der erste frei gewählte Präsident der Malediven, war zuvor durch einen Putschversuch zum Rücktritt gezwungen worden.

Seither gab es eine Welle von Politiker-Festnahmen. Nasheed wurde Anfang des Jahres zu 13 Jahren Haft verurteilt. Angeblich soll er rechtswidrig die Verhaftung eines Richters veranlasst haben. Menschenrechtsorganisationen bezweifeln dies. Verteidigungsminister Mohamed Nazim soll einen Staatsstreich geplant haben, er erhielt elf Jahre Gefängnis, ein Jahr mehr als sein Vorgänger Tholhath Ibrahim, der des Terrorismus schuldig sein soll. Adeebs Amtsvorgänger als Vizepräsident, Mohamed Jameel, verlor im Sommer sein Amt. Grund auch hier: angeblicher Hochverrat.

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Präsident Abdulla Yameen.
Foto: AFP/Ho

Vom Inselstaat in den Jihad

Zudem warnt Yameen, der ein Naheverhältnis zu Saudi-Arabien und eine strenge Auslegung des Islam pflegt, vor einem Erstarken des radikalen Islamismus auf seinen Atollen. Er verweist dabei auf – durchaus glaubhafte – Berichte, wonach Teile seiner Bevölkerung sich als anfällig für Radikalisierung erwiesen hätten. So sollen rund hundert Malediver in Syrien für die Nusra-Front und die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) gefallen sein.

Auch offizielle Stellen sind vom extremistischen Trend nicht ausgenommen: Erst kürzlich musste das Höchstgericht ein Steinigungsurteil gegen eine angebliche Ehebrecherin für ungültig erklären – es war der erste derartige Richterspruch in der Geschichte des Inselstaats. Dass sich Yameens Terrorgesetze aber wirklich nur gegen Terroristen, und nicht auch gegen die Opposition richten sollten, bezweifeln Kritiker.

Die Unruhen könnten erstmals auch Auswirkungen auf den Tourismus haben, der einen wesentlichen Teil der Wirtschaft auf den Malediven trägt. Die Nachrichtenagentur Reuters will von einem EU-Diplomaten in Sri Lankas Hauptstadt Colombo erfahren haben, dass die Union an neuen Reisehinweisen für die Inseln arbeite. Das britische Außenministerium forderte Reisende auf, Vorsicht walten zu lassen. Österreichs Außenamt rät auf seiner Homepage bisher nur, Menschenansammlungen und Demonstrationen zu vermeiden. (Manuel Escher, 5.11.2015)

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Haupteinnahmequelle Tourismus.
Foto: AFP/Kerouz