"Ein Gipfel gehört dir erst, wenn du wieder unten bist – denn vorher gehörst du ihm", so lautet ein Zitat des italienischen Extrembergsteigers Hans Kammerlander. Erfahrene Bergsteiger wissen, dass oben angekommen, oftmals erst ein Teil des Programms absolviert ist und mit dem Abstieg ein nicht selten heikleres Unterfangen wartet, zumal mentale wie physische Müdigkeit hinzukommen.

Dessen war sich bestimmt auch Gerhard Fiegl bewusst, der bei einer Expedition am Nationalfeiertag im Himalaya tödlich verunglückte. Gemeinsam mit Hansjörg Auer (31) und Alexander Blümel (28) wollte der aus Umhausen im Tiroler Ötztal stammende 27-Jährige den 6.839 Meter hohen Nilgiri in der Annapurna-Region über die noch unbezwungene Südwand besteigen. Der Versuch glückte, der Abstieg allerdings wurde zur Tragödie. "Am Gipfel lagen wir uns noch in den Armen und freuten uns gemeinsam über die erfolgreiche Besteigung der Südwand. Innerhalb kürzester Zeit war die Situation aufgrund Gerrys Zustand extrem angespannt", sagte Auer.

Gerhard Fiegl (li.), Alexander Blümel und Hansjörg Auer (re.).
Foto: Hansjörg Auer

Am 25. Oktober kurz vor Mittag war die Welt der drei Bergsteiger noch in bester Ordnung, nach drei Tagen äußerst strapaziöser und anspruchsvoller Kletterei durch die 1.500 Meter hohe Wand wurde der Gipfel erreicht, beim Abstieg machten sich bei Fiegl wenige hundert Meter unter dem Gipfel starke Erschöpfungserscheinungen bemerkbar. Da an ein Weiterkommen nicht mehr zu denken war, wurde ein Notbiwak eingerichtet. Eine Rettungsaktion mit einem Hubschrauber war aufgrund des starken Windes und der Höhenlage nicht möglich.

Die Südwand des Nilgiri.
Foto: Hansjörg Auer

Über Nacht verbesserte sich der Zustand von Fiegl leicht, bei großer Kälte und erneut starkem Wind wurde der Abstieg am nächsten Tag fortgesetzt, am frühen Nachmittag aber verlor der Tiroler am Südwestgrat das Gleichgewicht und stürzte vor den Augen seiner Kollegen rund 800 Meter in die Tiefe. Auer und Blümel erreichten – schwer geschockt und erschöpft – vier Stunden später den Wandfuß. Eine Suchaktion konnte wegen schlechten Wetters und starken Schneefalls erst zwei Tage später gestartet werden, sie blieb jedoch erfolglos.

"Wenn ein langjähriger Freund vor deinen Augen in den Tod stürzt, verliert in diesem Moment alles andere an Bedeutung. Unsere gemeinsame Expedition hätte kein schlimmeres Ende nehmen können. Wir sind alle sehr traurig", sagte Auer nach seiner Rückkehr nach Österreich.

"Ich bin sehr sehr traurig über den Verlust unseres Freundes. Aber die Erinnerung an die intensive Zeit, die ich mit Gerry erleben durfte, kann mir niemand nehmen", kommentierte Blümel die Katastrophe.

Fiegl, Meteorologe und Bergführer, war ein ausgezeichneter Alpinist, der in den letzten Jahren unter anderem in den Westalpen, Patagonien und Alaska zahlreiche schwierige alpine Kletterrouten gemeistert hat. Die Berge waren sein zweites zu Hause und seine große Leidenschaft. (honz, 4.11.2015)