London/Wien – Anfang September ließ ein Team aus österreichischen und britischen Wissenschaftern mit der Entdeckung des womöglich Steinmonuments Großbritanniens aufhorchen. Unter einer steinzeitlichen Anlage drei Kilometer von Stonehenge entfernt fanden sie Hinweise auf zumindest 200 bis zu 4,5 Meter hohe Steine, die vermutlich weit älter als das 4.000 bis 4.500 Jahre alte Stonehenge sind.

Im Rahmen des internationalen Projekts "Stonehenge Hidden Landscape Project" wird seit 2010 ein zehn Quadratkilometer großes Gelände rund um Stonehenge Meter für Meter mit Bodenradar und Magnetometer analysiert und zu detailreichen 3D-Bildern unterirdischer Gebäude zusammengefügt. Mit eigens entwickelten zerstörungsfreien Mess- und Auswertungsmethoden ist das Ludwig Boltzmann Institut (LBI) für Archäologische Prospektion und Virtuelle Archäologie daran maßgeblich beteiligt.

Seit dem Sensationsfund haben die Forscher das Areal von Stonehenge weiter untersucht und sind dabei auf noch mehr archäologische Überraschungen gestoßen. Unter den jüngsten Fundstücken befinden sich Feuersteinknollen, die effektvoll eine leuchtend pinke Farbe annehmen, Tierknochen mit noch darin steckenden Pfeilspitzen und Hinweise auf feste Behausungen.

Ein guter Platz für die Jagd

Als besonders reichhaltige Fundstätte erweisen sich nun auch gut drei Kilometer von Stonehenge entfernte warme Quellen, die bei der Ortschaft Amesbury in den Fluss Avon fließen. "Diese Quellen sind in mehrfacher Hinsicht sehr interessant", sagt LBI-Direktor Wolfgang Neubauer. Durch die konstante Wassertemperatur von 12 bis 14 Grad frieren die Quellen nicht zu und bieten Tieren das ganze Jahr über leichten Zugang zum Wasser. "Das ergab eine optimale Situation für Jäger- und Sammlerkulturen, dort den Tieren aufzulauern", sagt Neubauer.

Davon zeugen eine große Menge an Knochen von Auerochsen, Hirschen und Rehen, die das LBI bei Radarmessungen gemeinsam mit Kollegen von der Universität Birmingham entdeckt hat und die nun teilweise ausgegraben wurden. In einigen dieser Auerochsenknochen stecken laut Neubauer zum Teil noch sogenannte Mikrolithen, das sind kleine steinzeitliche Pfeilspitzen oder Klingen.

Alge bewirkt "magischen" Effekt

Zumindest optisch spektakulär mutet ein anderes Fundstück an, das als Naturphänomen bisher nur aus der Gegend um Stonehenge bekannt ist. In einem bestimmten Bereich in den Quelltümpeln gibt es eine Alge (Hildenbrandia rivularis), die dort im Übermaß vorkommende Knollen aus Feuerstein besiedelt.

"Wenn man sie aus dem Wasser rausnimmt, dann verfärben sich diese Flintknollen in ein ganz leuchtendes Pink", erklärt der Archäologe. Man vermute, dass dieses Phänomen von Steinzeitmenschen für rituelle Handlungen benutzt wurde: "Das ist natürlich ein super Tool, um Leute zu überzeugen, dass sie die richtigen Götter haben und so Macht auszuüben."

Spuren der einstigen Besiedlung

Ebenfalls durch Radarmessungen des LBI wurden Siedlungsüberreste gefunden, die auf rudimentäre steinzeitliche Behausungen schließen lassen. Kreisförmig gelegte und teilweise aufgestellte Feuersteinplatten dienten als Steindamm, von dem man Zeltplanen aus verschiedenen Materialien abspannen konnte. Das sei insofern bemerkenswert, als es in der betreffenden Zeit von ungefähr 7600 bis 4200 vor unserer Zeitrechnung, also noch bevor die ersten neolithischen Gesellschaften über die damals noch bestehende Landbrücke vom europäischen Kontinent her einwanderten, noch nicht viele Gebäude gegeben habe.

"Die Frage ist, wie das Zusammenleben ausgesehen hat zwischen diesen Jäger- und Sammlergesellschaften, die bereits über Jahrtausende dort waren und den neu eingewanderten Menschen im Neolithikum", sagt Neubauer.

Ausstellung in Österreich geplant

Die nun vom LBI entdeckten Tierknochen, Mikrolithen, Feuersteinknollen und -werkzeuge sowie entsprechende Bearbeitungs- und Produktionsprozesse werden im Frühjahr 2016 im Rahmen einer großen Ausstellung über das Stonehenge-Projekt im NÖ Urgeschichtemuseum MAMUZ in Mistelbach gezeigt. (APA, red, 4. 11. 2015)