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Wenn man nicht ganz genau weiß, wohin man muss, wird man den Spock nicht finden. Der ist ein Guru für amerikanische Motorräder und residiert zwar nicht in den Weiten des Enterprise'schen Weltalls, aber fast: nämlich in Mollersdorf bei Tulln. Das ist nördlich der alten Brücke, dort, wo direkt bei der Abfahrt von der S5 die Saria-Tierkörperverwertungsfabrik vor sich hindüftelt. Dort vorbei, dann durch Trübensee und Neuaigen. Direkt am Ortsende links abbiegen und einmal in weiten Schwüngen rechts und links über die Felder ins besagte Mollersdorf. Aber Achtung, nicht zu schnell! Das bis auf seine Harley-orange Farbe eher unauffällige einstöckige Haus mit dem hölzernen Schiebetor ist das Ziel unserer Reise: Spock!

Mutige, herrliche Farbe

Und da stehen sie schon auf der Straße in der prächtigen Herbstsonne: eine Indian Scout und eine Indian Chieftain – beide im umwerfenden Rot von Rostschutzfarbe. Ein Farbton, den sich heutzutage kein Motorradhersteller mehr trauen würde, würde er nicht eine laaaange Geschichte haben, so wie Indian, die bis 1901 zurückreicht.

Von vorne und hinten bezaubert die Scout mit einer schmalen Silhouette, von der Seite hingegen ist sie stattlich genug auch für massivere Fahrer.
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Ärger als diese Farbe wäre allenfalls noch ein blasses Mintgrün, das so richtig nach Vierzigerjahren aussieht. Aber eh klar, dass Indian diese Farbe auch führt. Gern auch in Kombination mit einem Cremeweiß, das überall sonst boch'n wäre, hier aber extrem cool rüberkommt.

Letzte Zuckungen des indianischen Sommers

Der Häuptling höchstpersönlich kümmert sich darum, die Tester zu den Stahlrössern zu führen und einzuweisen. Er tut dies beschaulich, so wie die Motoren auch nur schön langsam auf Temperatur gebracht werden sollen.

Aus der Kurve heraus kann der drehmomentstarke Motor voll überzeugen.
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Der beste Tag für eine Indian ist einer, der nach Indian Summer riecht, wenn auch nur noch ein bisschen. Also rauf auf die Böcke und schnell durchs Tullnerfeld, um die Dopplerhütte heimzusuchen. Auf der langen Geraden spielt die Scout ihre Klasse aus: Unbändiges, nie enden wollendes Drehmoment, Überholspiele sind eine Gaudi reinsten Wassers.

Ein wenig gewöhnungsbedürftig sind dann die ersten Kehren. In der besten Tradition eines Bobbers hat die Scout einen mordstrumm Vorderreifen in der Dimension 130/90-16. Etwas ähnliches fahren andere Leute auf ihrer Bonneville oder W800 – und zwar hinten! Sobald man aber rausgefunden hat, wie man die Scout in die Kurve zwingt (hüftig), ist alles ganz easy. Achtung auf die Fußrasten und vor allem auf den Auspuff, die liegen recht tief. Das hier ist KEINE Supermoto oder MotoGP-Maschine, eh klar.

Achtung auf die Seitenlage. Herr Rossi und Herr Marquez sind nicht zu Unrecht auf anderen Mopettn unterwegs. Die Scout gerät vor allem in Rechtskurven schnell an ihre Grenze.
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Nach mehrmaligem Auffi-Owe-Auffi-Owe, gemeinsam mit Dutzenden anderen Mopedindividualisten, nehmen wir uns einmal das weitere Geläuf am Südrand des Tullnerfeldes zur Brust. Die Locals kennen das eh: Exelberg, Sofienalpe, Mauerbach, Tulbingerkogel, Riederberg usw.

Geniale Drehmomentkurve

Überall kann der Motor der Scout überzeugen, super Sound schon mit Originalgedärm, geniale Drehmomentkurve, göttliches Rausbeschleunigen aus den zahlreichen Pröll'schen Kreisverkehren. Natürlich gibt es bösere, giftigere, schnellere Mororräder – aber der Scout ist das egal, man freut sich, dass sie ihre 100 PS (über die genaue Leistung schweigt sich Indian gerne aus) ruckelfrei und seidenweich via Riemenantrieb auf die Straße bringt.

Der Fred S., der eigentlich nichts anderes fährt als eine Monster-Ducati, überlegt sich die Indian als Rollator fürs hohe Alter. Wenn er weiter keinen Helm trägt, wird er's aber nicht erleben, das hohe Alter ...
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Kurze Pause für die Raucher unter uns. Ideale Überbrückungshandlung für die Nichtsüchtigen ist die nähere Inspektion des Testgefährts. Okeh... Wasserkühlung. Aber nicht ungut oder patschert, sondern ziemlich genial kaschiert: Hier wurde der tragende Rahmen rund um den Kühler gebaut, der daher ausschaut wie ein Einbaukastl in der Designerküche. Kann man lassen.

Designobjekt Motor

Und extrem leiwand sieht der Motor in der Seitenansicht aus. Wie ein Gipsabdruck. Wunderschön hochwertig gearbeitet und gefräst, ein schönes Spiel in Schwarz und Alu. Dazu perfekt dimensioniert ist der Chromanteil, wunderbar in ihren Proportionen die Krümmer auf der rechten Seite. Yes, Sir!

Originell ist die Formgebung des wassergekühlten V2. Von der Seite sieht er wie ein alu-mattschwarz-chromfarbener Gipsabdruck aus. Der Kühler ist in die beiden vorderen Schleifen des Rahmens integriert, eine sehr saubere Lösung.
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Natürlich kommt das Gespräch bald – sehr bald sogar – auf den "anderen" US-Hersteller. Nein, nicht Victory (auch dazu 2016 ein Testerl), sondern ehsowissn aus Milwaukee. Ähnlich wie dort will man bei Indian, das seit 2011 zum Polaris-Konzern (weltgrößter Hersteller von Schneemobilen, Quads und ATVs) gehört, man mit der Zeit gehen, ohne den den klassischen Charakter – oder zumindest die Ahnung davon – zu betrügen. Daher verstecken beide Hersteller so gut es geht ihr ABS-System. Nämlich so, dass man es auf den ersten Blick gar nicht erst sieht. Keine Lochkranzl'n oder wie diese Ringe an der Bremsscheibe heißen. Alles soll alt und klassisch aussehen.

Lederstattel

Zum klassischen Repertoire gehört auch der Ledersattel. Sehr bequem, aber vielleicht nicht ganz langstreckentauglich, da er doch recht straff ist. Aber vielleicht muss man ihn auch erst einsitzen, so wie es die tollkühnen Reiter des Pony-Express anno dazumal taten.

Die serienmäßige Auspuffanlage wirkt sehr hochwertig und böllert sehr bassig. Indian bietet optional auch ein Set an, das geschwungene Schalldämpfer hat und angeblich ein bissl was bringen soll.
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A propos Langstrecke: Auf der Negativseite ist eine eher überschaubare Reichweite zu vermerken. Und zwar weniger, weil die Scout so trinkfeudig wäre. Nein, die legendäre Lust aufs Feuerwasser hat sie nicht, zumindest nicht diese Indian. (Ich habe vergessen, mir den genauen Verbrauch zu notieren, aber er ist absolut human.) Der knappe Radius erklärt sich eher mit dem recht kleinen Tank.

Liegen geblieben

Er sieht auf den ersten Blick zwar riesengroß aus, aber er ist letztendlich doch eher knapp um den sehr massiven Rahmen herum gebaut. So bleiben nur 12,5 Liter Fassungsvermögen übrig. Die sind schnell aufgebraucht, wenn man artgerecht testet. Und man sollte dabei tunlichst die Reserveanzeige beachten. Runter von der Straße und gleich zur nächsten Tanke! Sonst passiert es euch so wie mir, der schieben musste. Eh nur ein paar hundert Meter, aber demütigend war es doch.

Simpel instrumentiert, aber alles da, was man braucht. Achtung auf die Tankanzeige, die sollte man richtig ernst nehmen.
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Nimmt man also Rücksicht auf die Reichweitenproblematik (welches ordentliche Motorrad außer den gängigen Riesenenduros hat diese eigentlich nicht?), so bleibt doch ein Moped, mit dem es sich garantiert vortrefflich reisen lässt. Auf der Ausstattungsliste gibt es ein paar Goodies, die nicht aufs Design-Pimpen, sondern auf die Erhöhung der Funktionalität abzielen. Etwa ein ordentliches Windshield, das seinen Namen verdient und dabei extrem sleek aussieht – als ob es dauernd drauf gehörte.

Reisekommoditäten

Und dann kann man sehr schöne Seitentaschen draufschnallen und einen Packlträger, der diesen Namen auch zu Recht führt. Bloß bei den Sissi-Bars zucke ich zurück, die passen eher auf die ganz großen Indianerhäuplinge. Ein Pfadfinder reist doch eher light.

Die Scout und ihre große Schwester, die Chieftain. Gleiche Farbe, aber ganz andere Musik. Wird im Frühjahr 2016 gesondert begutachtet.
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Wer bisher – zumindest in Österreich – noch nie einen Indianer auf der Pirsch gesehen hat, braucht sich nicht zu grämen. Im Gegensatz zum "anderen" Ehschowissen gibt es ein nur kleines Händlernetz. Nämlich zwei. Oder drei, je nachdem, wie man zählt. Neben dem Spock in Niederösterreich gibt's bloß noch die Firma Styrian Motorcycles in Sankt Peter im Sulmtal. Das ist südlich von Graz, fast schon in Slowenien. Westösterreicher werden in Bayern fündig, in der Nähe des Chiemsees und auch des Bodensees. Wer lieber in Italien einkauft, muss bis nach Bergamo bei Mailand zuckeln.

Die beiden österreichischen Händler werden vom deutschen Importeur beliefert. Und da der doch eher weit entfernt ist, hat man sicherheitshalber gleich eine größere Anzahl an Mopett'n lagernd. Das ermöglichst rasche Lieferung und glückliche Gesichter.

Fünf Jahre Garantie

Zwar fehlt mangels Langzeittest die Gewissheit, dass die Qualität von Indian auch wirklich passt, doch auf die ersten paar Blicke und Kilometer erschien alles sehr hochwertig verarbeitet, wohl auch deshalb traut man sich, gleich fünf Jahre Garantie zu geben. Von den wenigen Indian-Eignern hört man allenfalls gemäßigte Kritik an den Hausmarke-Reifen. Aber erstens muss man das immer selbst ausprobieren, und zweitens sind die schnell einmal abgefahren, Erwin Prölls Kreisverkehrmanie und dem beherzten Motor der Scout sei Dank! (Gianluca Wallisch, 12.11.2015)

Andere ziehen im Glashaus Tomaten groß, der Spock hortet in so was lieber seine Indians und Victorys. Ja, da steht tatsächlich "5 Jahre Garantie".
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Technische Daten

Motor: wassergekühlter V2, elektronsiche Einspritzung
Hubraum: 1130 Kubikzentimeter (69 Kubikinch)
Bohrung x Hub: 99mm x 73,6mm
Verdichtung: 10,7:1
Leistung: keine Werksangabe, mündliche Auskunft ca. 100 PS
Max. Drehmoment: 98 Nm bei 5900 U/min
Primärantrieb: 6-Gang-Getriebe mit Ölbadkupplung, Mehrscheibe nass
Sekundärantrieb: Riemen
Radaufhängung vorne/hinten: Teleskopgabel 120 mm / zwei Federbeine 76 mm
Bremsen vorne/hinten: Scheibe Ø 298 mm, Zweikolben / Scheibe Ø 298 mm, Einkolben
Reifen vorne/hinten: 130/90-16 72 / 150/80-16 71
Gewicht vollgetankt: 257 kg
Sitzhöhe: 643 mm
Tank: 12,5 l
Preis Indian Scout: ab 15.930 Euro


EDIT: Der Preis wurde korrigiert: nicht 15.390 Euro, sondern 15.930 Euro muss man hinblättern.