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Kritiker von US-Präsident Barack Obama (im Bild sein Dienstflugzeug Air Force One) sehen im Bodeneinsatz von US-Elitesoldaten in Syrien Symbolpolitik ohne realen Nutzen.

Foto: AP / Jose Luis Magana

Eigentlich würde Barack Obama jetzt gern über die Strafrechtsreform reden – ein Thema, bei dem er noch etwas bewegen möchte, ehe er das Weiße Haus verlässt. Das Prinzip kompromissloser Härte will er infrage stellen, weil es paradox ist, dass in den USA pro Kopf deutlich mehr Menschen in Gefängnissen sitzen als in jedem anderen westlichen Land.

Aber dann wird er – in einem Interview mit NBC News – natürlich wieder nach Syrien gefragt, dem Thema, das er lange auszublenden versuchte und dessen Dramatik ihn nun mit aller Macht eingeholt hat.

Ob die Entsendung von 50 Elitesoldaten einen ersten Schritt hinein in den Sumpf eines Bürgerkrieges bedeute? Ob er sein Wahlversprechen gebrochen habe? Ob nicht mehr gelte, dass sich die USA militärisch fernhalten mögen von nahöstlichen Konflikten, die sie weder gewinnen noch lösen können?

Wie eine Wurzelbehandlung

"In Syrien kämpfen wir nicht, wie wir es im Irak taten, mit Bataillonen und einer Okkupation", antwortet der Präsident. Außerdem befehle er keine Uniformierten an die Front, um gegen den "Islamischen Staat" (IS) zu kämpfen. Die Mimik dazu lässt an einen Patienten vor einer Wurzelbehandlung denken. Man merkt, dass der Präsident gegen seine eigenen Instinkte handelt, sich eher von Ereignissen treiben lässt, statt Weichen zu stellen.

An Obamas Überzeugungen hat sich auch nach fast sieben Jahren im Amt nichts geändert. Die Lehre des Irakkrieges müsste in seinen Augen eigentlich heilsam genug gewesen sein. Hinzu kommt das Kapitel Libyen: 2011 interveniert, heute ein gescheitertes Staatswesen. Im Kern sieht er es also wie die Europäer, wenn Letztere davor warnen, noch bestehende staatliche Strukturen in Syrien aufzulösen.

Stufenplan statt bedingungslosem Rücktritt

Sein Außenminister John Kerry hat die Forderung nach dem bedingungslosen Rücktritt Bashar al-Assads schon durch eine Art Stufenplan ersetzt. Demnach könnte der Diktator noch vier bis sechs Monate im Amt bleiben, bevor er einem Übergangspräsidenten Platz macht und in 18 Monaten neu gewählt wird.

Doch jeder weiß: Solange Russen und Iraner an Assad festhalten, ist es eher ein frommer Wunsch als ein Plan – wobei Moskau am Dienstag aufhorchen ließ: Der Verbleib Assads sei "absolut" nicht unabdingbar, erklärte Maria Sacharowa, eine Sprecherin des russischen Außenministeriums nun laut Nachrichtenagentur Ria. "Wir haben das nie gesagt. Wir sagen nicht, dass er gehen oder bleiben muss."

Kritik: Keine überzeugenden Antworten ...

Was nun ein kleines US-Kontingent an Special Forces ausrichten soll, darauf kann auch das Pentagon keine überzeugenden Antworten geben. Nach der Skizze von Verteidigungsminister Ashton Carter wird es unter anderem die "Syrisch-Arabische Koalition" unterstützen – eine Gruppe arabischer Sunniten, die im Bunde mit Kurdenmilizen die sunnitische IS-Hochburg Raqqa erobern sollen.

Der Name jener Koalition sei eine amerikanische Erfindung, berichtet derweil ein Reporter der New York Times aus dem syrischen Norden. Bei ihren 5000 Kämpfern könne man kaum von einer effektiven militärischen Kraft sprechen.

... und kein tragfähiges Konzept

Aus der Sicht republikanischer Hardliner steht Obamas Marschbefehl für reine Symbolpolitik; allein schon, weil man nach Wladimir Putins Eingreifen irgendwie Flagge zeige, irgendwas tue, ohne dass es sich einordnen ließe in ein tragfähiges Konzept. Eine "Taktik der Trippelschritte" werde der Größe der Aufgabe in keiner Weise gerecht, tadelt Senator John McCain und wirft dem Verfassungsrechtler Obama vor, noch immer wie ein Jurist zu denken: nur von Fall zu Fall, statt mit einer langfristigen Strategie.

McCains demokratischer Senatskollege Christopher Murphy dagegen spricht für eine starke Fraktion in seiner Partei, wenn er vor einer gefährlichen Rutschbahn warnt. 50 Mann – von den Zahlen her sei das eher eine Fußnote, psychologisch bedeute es aber womöglich das Überschreiten des Rubikon.

Warnung von Jimmy Carter

Und dann ist da noch Altpräsident Jimmy Carter, der nur einen Lösungsansatz für realistisch hält: eine Verständigung mit Russland und dem Iran. Er kenne Assad: Der bewege sich nicht unter dem Druck des Westens – der mache ihn eher noch sturer. Sein einziges Zugeständnis in über vier Bürgerkriegsjahren – der Verzicht auf Chemiewaffen – sei ihm auf Beharren Moskaus und Teherans abgerungen worden. Gleiches gelte für eine Friedensregelung: Nur auf Drängen seiner Verbündeten könne Assads Herrschaft vielleicht "in einem geordneten Prozess" beendet werden. (Frank Herrmann aus Washington, 3.11.2015)