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Die Attraktivität für Flüchtlinge solle gesenkt werden, sagt Mikl-Leitner.

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Wien – Bereits mit 15. November soll "Asyl auf Zeit" eingeführt werden. Die Regierung einigte sich am Montag auf den Begutachtungsentwurf. Die neuen Regeln sehen vor allem eine Verschärfung beim Familiennachzug vor und sorgen für Kritik aus der Opposition.

Der FPÖ-Abgeordnete Gernot Darmann forderte im Ö1-"Morgenjournal", dass die Asylgründe schon sechs Monate nach Asylzuerkennung wieder überprüft werden sollten. Denn ob eine Person ein Jahr früher oder später aufgefordert wird, in ihr Heimatland zurückzukehren, sei – auch aus Kostengründen – wesentlich.

Der Begutachtungsentwurf der Regierung sieht vor, dass Asyl in Zukunft nur noch für maximal drei Jahre gewährt wird. Sollte sich in diesem Zeitraum die Lage im Herkunftsland so weit stabilisieren, dass eine Rückkehr möglich ist – etwa ein Ende des Bürgerkriegs in Syrien –, müssten die Flüchtlinge Österreich verlassen. Basis für die Entscheidung sollen mindestens einmal jährlich vorgelegte Expertisen der Staatendokumentation des Innenministeriums sein. Erst wenn drei Jahre nach Erstzuerkennung die Asylgründe immer noch bestehen, wird der Status unbefristet zuerkannt.

"Nicht notwendig"

Die Grünen wiederum finden, dass "Asyl auf Zeit" gar nicht notwendig sei, weil die Genfer Flüchtlingskonvention bereits vorsehe, dass das Asylrecht wieder aberkannt werden kann, wenn der Schutzgrund weggefallen ist, zitiert Ö1 eine schriftliche Stellungnahme der Menschenrechtssprecherin der Grünen, Alev Korun.

Ähnlich sehen das die Neos. Laut Asylsprecher Nikolaus Scherak werde "Asyl auf Zeit" an den Flüchtlingszahlen nichts ändern. Es handle sich dabei nur um einen zusätzlichen Verwaltungsaufwand.

Keine Relevanz für Arbeitsmarkt

Team-Stronach-Klubobmann Robert Lugar findet hingegen, dass schon bei der Aufnahme von Flüchtlingen strenger vorgegangen werden soll. Jene, die keinen Asylgrund haben, sollten von vornherein zurückgeschickt werden. Wer bleibe, müsse besser integriert werden. Und wenn jemand drei oder fünf Jahre in Österreich lebe, hier ausgebildet und integriert werde, sei es keine gute Idee, ihn wieder nach Hause zu schicken.

SPÖ-Klubchef Andreas Schieder will die Begutachtung zu der Gesetzesnovelle abwarten, warnte am Dienstag vor dem Ministerrat gegenüber Journalisten jedoch vor einem "Bürokratiemonster".

Für Verteidigungsminister Gerald Klug (SPÖ) sei "Asyl auf Zeit" "aufgrund der Gesamtsituation eine vertretbare Maßnahme". Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) hielt fest, dass die neuen Regelungen keine Relevanz für den Arbeitsmarktzugang hätten. Er rechne damit, dass die Zahl der Asylwerber in Österreich rund ein Prozent der Bevölkerung erreichen wird. Dies sei eine "verkraftbare Zahl".

Attraktivität senken

Innenminister Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) verteidigte die Verschärfung des Asylrechts im "Morgenjournal". Es sei ein Signal, dass "wir das Recht auf Asyl wieder auf den Kern zurückbringen". Denn was derzeit stattfinde, sei oft "die Suche nach dem wirtschaftlich attraktivsten Land". Und Österreich sei ein solches. Wie viele Menschen weniger durch die Einschränkungen im Asylrecht nach Österreich kommen würden, sagte Mikl-Leitner nicht.

Die Ministerin sprach sich erneut für eine gemeinsame europäische Lösung aus. Die Ursachen in den Konfliktgebieten müssten bekämpft werden, nicht Symptome. Österreich nehme außerdem so viele Asylwerber auf wie 18 andere EU-Staaten zusammen. Die Attraktivität für Flüchtlinge müsse in Österreich gesenkt werden, damit andere Mitgliedstaaten ihrer Verantwortung nachkommen.

Mikl-Leitner wird am Dienstag bei der Konferenz der Landeshauptleute in Linz erwartet. Es wird bei dem Treffen sowohl um den Transit von Flüchtlingen als auch um die Behandlung von Asylwerbern in Österreich gehen.

Vor allem Afghanen betroffen

Die Verschärfungen treffen vor allem Menschen aus Afghanistan, die in vielen Fällen nicht Asyl, sondern "subsidiären Schutz" zuerkannt bekommen. Sie müssen künftig drei Jahre warten, bis sie ihre Familie nach Österreich nachholen dürfen. Derzeit beträgt die Frist zwölf Monate.

"Subsidiärer Schutz" gilt für Personen, die nicht Flüchtlinge gemäß der Genfer Konvention sind, denen aber trotzdem befristet Schutz zu gewähren ist – und zwar dann, wenn ihnen in ihrer Heimat eine reale Gefahr wie Todesstrafe, Folter oder willkürliche Gewalt im Rahmen eines kriegerischen Konflikts droht.

Finanzielle Bedingungen

Neben der Wartezeit müssen künftig – mit Ausnahme der unbegleiteten Minderjährigen – gewisse wirtschaftliche Rahmenbedingungen vorhanden sein, um die Familie nachholen zu können. Der Flüchtling muss etwa eine Unterkunft nachweisen, "die für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehen wird". Zudem muss er über ein Einkommen verfügen, das "zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte", er darf also zum Beispiel nicht nur die Mindestsicherung beziehen. Derzeit wären dafür monatliche Nettoeinkünfte von 872,31 Euro für Alleinstehende, 1.307,89 Euro für Ehepaare und zusätzlich 134,59 Euro für jedes Kind vorzuweisen.

Diese Restriktionen gibt es auch bei anerkannten Flüchtlingen, sie werden dort aber wohl nur eine geringe Wirkung haben. Denn sie gelten nur, wenn der Antrag auf Nachzug nicht innerhalb der ersten drei Monate nach Asylzuerkennung gestellt wird und die Europäische Menschenrechtskonvention dem nicht entgegensteht.

Beschlossen werden kann das Gesetz angesichts des Fristenlaufs wohl nicht vor Dezember. Es soll dann rückwirkend ab Mitte November gelten.

Situation in Spielfeld

Eine relativ stabile Situation meldete die Exekutive indessen vom steirischen Grenzübergang Spielfeld zu Slowenien: Rund 2.700 Menschen verbrachten die Nacht auf Dienstag in den beheizten Großzelten, die rund 4.000 Personen Platz bieten. Ihr Weitertransport in Transitquartiere bzw. Richtung Deutschland war in der Früh angelaufen. Seit Montagabend führte das Rote Kreuz rund 180 Versorgungen durch.

Für den Transport standen wieder Busse des Bundesheeres und zivile Busse sowie drei Sonderzüge der ÖBB zur Verfügung. Die Polizei rechnet mit weiteren Neuankünften von Flüchtlingen in einem Ausmaß wie in den vergangenen Tagen. In der Sammelstelle im südoststeirischen Bad Radkersburg befanden sich in der Früh keine Flüchtlinge mehr, allerdings werden auch hier wieder Neuankömmlinge erwartet. Dem Roten Kreuz zufolge waren von den rund 180 Versorgungen in der Nacht vier Fälle, die zur Abklärung bzw. weiteren Behandlung in ein Spital gebracht wurden. (red, APA, 3.11.2015)