Wien – Diesmal fiel die Entscheidung nach einer braunen Entgleisung schnell: Zwei Tage nach Susanne Winters antisemitischem Eintrag auf Facebook stellte die blaue Spitze am Montagnachmittag klar: Entweder die umstrittene Abgeordnete geht selbst – oder sie wird von der Partei gegangen.

Das gab FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl nach einer Unterredung mit der 58-Jährigen via Aussendung bekannt. Am Wochenende hatte Winter einem User in dem sozialen Netzwerk beigepflichtet, der über die "Zionistischen Geld – Juden" (sic) hergezogen war. Zwar wurde der Kommentar von ihr mittlerweile gelöscht ("schön, dass Sie mir die Worte aus dem Mund nehmen"), doch seitdem hagelte es Rücktrittsaufforderungen für die Freiheitliche.

Kickl begründete das Vorgehen der FPÖ so: Mit ihrem Verhalten habe sich Winter selbst außerhalb der Partei gestellt und sich de facto ausgeschlossen. Und: In der FPÖ sei "kein Platz für Antisemitismus" – hier habe Winter "eine rote Linie überschritten".

Winters Schmerzen

Zuvor hatte Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ) auch noch die Staatsanwaltschaft eingeschaltet, die Winters Postings auf strafrechtliche Relevanz prüfen soll, denn: "Gerade vor dem Hintergrund der österreichischen Geschichte sind wir gefordert, antisemitischer Hetze mit aller Entschiedenheit entgegenzutreten", sagte Bures.

Winter, selbst studierte Juristin und nach ihren Tiraden gegen den Propheten Mohammed ("im heutigen System" ein "Kinderschänder") wegen Verhetzung und Herabwürdigung religiöser Lehren verurteilt, erklärte, dass ihr Bures' Anzeige "weh" tue, weil Antisemitismus nie in ihrem Gedankengut gewesen sei.

Für den Strafrechtsprofessor Helmut Fuchs ist die juristische Relevanz von Winters Einträgen "grenzwertig". In dem Posting, dem Winter zustimmte, erklärt er im STANDARD-Gespräch, werde viermal das Wort "zionistisch" verwendet, das "eindeutig ein antisemitisches Signal" sei. Das Gleiche gelte für den Satz "Die Geld-Juden weltweit sind das Problem". Den Tatbestand der Verhetzung sieht Fuchs zwar eher nicht erfüllt, weil weder ein Gewaltaufruf noch eine Beleidigung oder Hetze enthalten seien. Doch die Wortwahl gehe deutlich in die Richtung "nationalsozialistischer Wiederbetätigung" – und dieser Strafbestand im Verbotsgesetz sei zu prüfen, sagt Fuchs.

Detail am Rande: Noch gehört Winter just der parlamentarischen Freundschaftsgruppe Österreich-Israel an. Winter hatte bereits am Vormittag angekündigt, dass sie die Entscheidung ihrer Partei akzeptieren werde.

Herbe Kritik setzte es für Winter auch vom Drittem Nationalratspräsidenten Norbert Hofer (FPÖ). "Das tut mir besonders weh, dass damit ein Schaden angerichtet wurde, der nicht wiedergutzumachen ist", sagt er im STANDARD-Gespräch. Der Grund dafür, dass er auf die Grazerin "sauer" ist: Seit Jahr und Tag bemühe er sich darum, Kontakte zur jüdischen Community zu pflegen – dazu verweist er auf sein Engagement dafür, dass die verfallene Synagoge im burgenländischen Kobersdorf saniert werde.

Das rasche Handeln der FPÖ nach derartigen Ausfällen ist ungewöhnlich – doch mit den Zuwächsen bei vier Landtagswahlen und dem Einzug in zwei Landesregierungen will man offenbar ein neues Verantwortungsbewusstsein demonstrieren.

Doch die Causa Winter war noch nicht ausgestanden, schon tut sich für die Partei der nächste Fall von zynischem Aktionismus auf Facebook auf. Niederösterreichs Chef Christian Höbart, der bereits vor einem Jahr auf der Plattform Flüchtlinge als "Höhlen- und Erdmenschen" bezeichnet hat, postete am selben Tag ein Video, das Flüchtlinge bei einer Bootsüberfahrt zeigte. Dazu den Liedtext: "Eine Bootsfahrt, die ist lustig, eine Bootsfahrt, die ist schön ..." Zwar ist auch der Eintrag schon gelöscht – ob und wann dieser Abgeordnete Geschichte ist, bleibt offen. Bisher hat sich die FPÖ-Spitze zu Höbarts Verbalexzess – angesichts der vielen Toten im Mittelmeer besonders geschmacklos – nicht geäußert.

Zum Vergleich: 18 Tage brauchte es, bis die Blauen einst ihren EU-Frontmann Andreas Mölzer abmontierten, nachdem publik wurde, dass dieser die Union mit dem Dritten Reich verglichen und von einem "Negerkonglomerat" gesprochen hatte. Gar über Monate zog es sich, bis die Partei den Tiroler Abgeordneten Werner Königshofer auschloss – ausschlaggebend dafür war nicht sein Beklagen der "hefeartigen Ausbreitung" von Muslimen, sondern die Gleichsetzung der Fristenlösung mit dem Anschlag im norwegischen Utoya.

Kopf des Tages Seite 32

B I L D U N T E R S C H R I F T: Susanne Winter ist in der FPÖ bald Geschichte.

B I L D U N T E R S C H R I F T: Christian Höbart darf trotz Verbalexzessen bleiben.

Foto: APA / Roland Schlager

Foto: APA / Roland Schlager

Die FPÖ-Mandatare Winter und Höbart zeigten auf Facebook ihr wahres Gesicht: Der einen gefielen Tiraden auf "Geld-Juden", der andere postete Seemannslieder zu Bootsflüchtlingen.

(Marie-Theres Egyed Nina Weißensteiner, 3.11.2015)