Die Belgrader TV-Show "24 Minuten mit Zoran Kesić".

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Samstags um 21 Uhr setzt man sich vor den Fernseher und schaltet auf B92. Und es geht los: "24 Minuten mit Zoran Kesić". Es ist eine satirische Talkshow, die seit 2013 gesendet wird. Sie ist bissig, aber nicht verbissen. Und sie macht nachdenklich. Viele sagen, dass sie während der Show lachen, doch dass ihnen gleichzeitig zum Weinen zumute ist. In dieser knappen halben Stunde wird man sich der Absurdität Serbiens, des autoritären Charakters des Regimes, der Inkompetenz der Machthaber bewusst. Man wird seinen Frust los, weil es in einem Land der gleichgeschalteten Medien jemand wagt, die Unantastbaren zu verspotten; doch während man lacht, wird man von einem Gefühl der Hoffnungslosigkeit und Trauer überschwemmt.

Der Showmaster und Moderator Zoran Kesić (39) nimmt das Regime auseinander. Humorvoll blickt er auf die wichtigsten Ereignisse der vergangenen Woche zurück. Er spottet über den starken Mann Serbiens, Aleksandar Vučić, den Regierungschef, vor dem Minister wie erschrockene Schüler vor einem strengen Lehrer stillstehen, der Widerspruch und Kritik nicht leidet. Kristallklar zeigt Kesić den überragenden Populismus des Ministerpräsidenten, die herrschende Demagogie, die wunden Stellen der serbischen Gesellschaft: die absolute Vergötterung von Aleksandar Vučić, der von lauter Schmeichlern umringt ist, den Mangel an jeglicher Kritik, die Vetternwirtschaft, den Machtmissbrauch, die Dummheit vieler Funktionäre, die sich nur durch ihre totale Treue zu Vučić für die höchsten Staatsämter qualifiziert haben.

Schaut man sich "24 Minuten mit Zoran Kesić" an, bekommt man den Eindruck, in einer Quasidemokratie zu leben: Ja, es gibt Wahlen, doch es gibt kaum kritische Medien, und die Opposition ist auf eine brutale Weise praktisch vernichtet worden; ja, es gibt schon kritische Stimmen, doch sie kommen nicht an, sie werden von der Staatspropaganda übertönt, und wer zu laut wird, der kann was erleben. Und ja, da ist die Satire, der Witz, das wird zähneknirschend geduldet. Dem Humor kann man nur Humor entgegensetzen, sonst steht man blöd da. Und Vučić und seine Vertrauten scheinen fast ausnahmslos völlig humorlos zu sein.

Die letzte Verteidigungslinie

Die Satire sei "die letzte Verteidigungslinie" in einem autoritären System, sagt Dragoljub Žarković, Chefredakteur des Wochenmagazins "Vreme", einer der seltenen wirklich regimekritischen Zeitungen in Serbien.

So einige werfen Kesić und seinem Team vor, ein "demokratisches Feigenblatt" in einer in ihrem Wesen undemokratischen Gesellschaft zu sein. Schaut her, was für überzeugte Demokraten wir sind, können die Machthaber sagen, wenn wir uns dermaßen verspotten lassen, und niemandem wird deswegen auch nur ein Haar gekrümmt. So erscheinen auch bissige Karikaturen der Zeichner Corax und Dušan Petričić in serbischen Medien. Doch im Großen und Ganzen werden die Medien über die Kontrolle des Werbemarkts zahm gehalten: Wer nicht brav genug ist, bekommt keine Inserate. Und wenn jemand seine Kritik übertreibt, wird er der Wut des starken Mannes persönlich ausgesetzt, da scheut Aleksandar Vučić auch nicht davor zurück, die Kritiker beim Namen zu nennen und mit dem organisierten Verbrechen, zwielichtigen Tycoons oder "ausländischen Machtzentren" in Verbindung zu bringen, die Serbien destabilisieren wollen. Denn wer sonst würde ihn kritisieren, ihn, der sein Leben für das Wohlergehen Serbiens und des serbischen Volkes opfert.

"Die Satire ist der einzige Ausweg aus dem Wahnsinn", sagt Zoran Kesić. Sie ist ein Ventil für die Bürger, sie bricht Tabus und ermöglicht ihnen, ein wenig freudiger in die Zukunft zu blicken. Wegen des totalen Mangels an Regimekritik hat seine Talkshow politisches Gewicht gewonnen. "Natürlich ist es schmeichelhaft, wenn man als das einzige Licht am Ende des Tunnels bezeichnet wird, wenn man uns sagt, dass nur noch wir übriggeblieben sind", erklärt Kesić seine "ungewollte Rolle" eines Oppositionellen. Man habe mit der Sendung in erster Linie Spaß haben wollen, alles Mögliche und jeden kritisieren. Da Vučić aber praktisch den gesamten öffentlichen Raum beherrsche, seien er und seine Leute naturgemäß größtenteils im Visier der Sendung. Die Erwartungen wurden immer größer, man sprach von "Oppositionsführern". "Das bringt eine größere Verantwortung mit sich und belastet uns auch", sagt Kesić. Dass er und sein Team mangels politischer Opposition als "Oppositionsführer" bezeichnet werden, sage so einiges über Serbien aus.

Sezieren einer Demagogie

Am Samstag zeigte Kesić eine Pressekonferenz mit Vučić. In einer Antwort des Ministerpräsidenten seziert er die gesamte in Serbien eingebürgerte Demagogie. Auf die Frage, was er denn von der Affäre des Belgrader Bürgermeisters Siniša Mali halte (er ist ein Vertrauter Vučićs, ein Portal deckte auf, dass Mali angeblich 24 Wohnungen in Bulgarien besitzt und als Bürgermeister private Geschäfte betreibt), antwortete Vučić in seiner typischen Manier: Er sprach über die "kriminellen Tätigkeiten" der jetzigen Opposition, als sie noch an der Macht war, beklagte sich über das allgemeine Lästern in Serbien, betonte, dass seine Mannen sauber seien, und schloss damit, dass er jeden Tag hart für das Wohlergehen Serbiens arbeite und niemand behaupten könne, dass er faul sei. Die eigentliche Frage ignorierte er grundsätzlich. Das Ganze lässt sich tatsächlich nicht nacherzählen, doch die Mimik Kesićs und seine Kommentare machen den Auftritt des Ministerpräsidenten zum Witz, zur feinsten Satire.

Die Show "24 Minuten mit Zoran Kesić" bereitet Kesić zusammen mit dem Team von njuz.net vor. Zu Beginn war es lediglich eine Webseite mit erfunden satirischen Nachrichten, die Dejan Nikolić aus Novi Sad gegründet hatte. Viele fielen auf die erfundenen Nachrichten herein, die Website wurde rasch zum Hit. Sie erlangte immer mehr Popularität, und so kündigten einige Mitarbeiter ihre damaligen Jobs und machten die Satire zu ihrem Hauptberuf. Das fiel ihnen nicht leicht. Kommerziell zu arbeiten wirft Fragen auf: Wer bezahlt euch, für wen arbeitet ihr? Sie machten einen Kompromiss in ihrer Kompromisslosigkeit: zwar kommerziell zu arbeiten, aber nur mit Partnern, die ihre kreative Arbeit nicht beeinflussen wollen, Sinn für Humor haben, für Spott, auch auf die eigene Rechnung. So begannen sie auch witzige Werbekampagnen für Unternehmen zu gestalten. Einer ihrer ersten und wichtigsten Partner, mit dem sie auch heute zusammenarbeiten, ist die Erste Bank.

Die jungen Leute von njuz.net werden nun auch mit "24 Minuten mit Zoran Kesić" identifiziert. Sie sprechen von einer "leisen Repression" in Serbien. "Unser Ziel war es, über alle und alles zu spotten. Es bekommt uns überhaupt nicht, als Opposition bezeichnet zu werden, nur weil die politische Opposition nicht in der Lage ist, etwas zu tun", sagt Nenad Milosavljević. Nun erwarte das Publikum von ihnen eine "Revolution" und sei enttäuscht, wenn sie keine Revolution starten, sondern eben eine satirische Sendung gestalten, die nach dem Vorbild der US-Talkshow "The Daily Show" entstanden ist. Wenn Machthaber versuchen, Humor auszuschalten, zeuge das von einer gewissen "Pathologie der Gesellschaft", sagt er.

Wenn Spaß zu Politik wird

"Die Behörden machen Druck auf alle, die werben, unerwünschte Medien und Sendungen zu übergehen", sagt Marko Dražić. "TV B92 versucht uns in Schutz zu nehmen", knüpft Viktor Marković an. Er sagt, dass sie über Druck nicht nachdenken, auch nicht über "Verantwortung", sie wollen schlicht und einfach satirisches Programm gestalten, kritisch auf die Wirklichkeit blicken, damit die Menschen nicht alles, auch sich selbst, so ernst betrachten. "Ja", sagt Dražić, "wir wollen in erster Linie Spaß haben, schön ist es natürlich, dass wir dabei auch populär sind."

Die Erwartungen seien in der Zwischenzeit zu hoch geworden, sind sich alle drei einig. Als die Sendung weder unter Druck des Regimes gestrichen wurde noch eine Revolution auslöste, waren viele enttäuscht.

Ihr Ziel sei, das Unsichtbare humorvoll sichtbar zu machen, erklärt Dražić. "Manche glauben, das sei eine Banalisierung der Probleme, dass Humor die Unzufriedenheit dämpfe", sagt Milosavljević. Und Dražić schließt: "Gott sei und gnädig mit unserer Opposition, wenn wir die größte Opposition sind." (Andrej Ivanji aus Belgrad, 2.11.2015)