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Mehr als 400 Quadratmeter der Austernbank aus dem Miozän konnten vom Naturhistorischen Museum Wien im Korneuburger Becken bereits freigelegt werden.

Foto: TU Wien/Department of Geodesy and Geoinformation

Die Funde zeichnen das Bild von einer tropischen, wasserreichen Region mit zahlreichen Inseln und einer mannigfaltigen Tier- und Pflanzenwelt.

Illu.: Harzhauser et al., 2009

Wien – Vor mehr als 17 Millionen Jahren existierte dort, wo heute das Korneuburger Becken im nordöstlichen Niederösterreich liegt, eine flache, warme Meeresbucht mit einer vielgestaltigen Tierwelt. Ein markantes Fossil dieser Zeit ist eine mehrere Hundert Quadratmeter große Austernbank. Einzelne Muscheln der Spezies Crassostrea gryphoides konnten bis 80 Zentimeter lang werden. Die riesige Austernansammlung öffnet Forschern rund um Paläontologe Mathias Harzhauser ein regelrechtes "Fenster in die Vergangenheit" – und sie liefert Hinweise auf prähistorische Tropenstürme oder Tsunamis.

Die Zeit, in der sich das größte freigelegte fossile Austernriff der Welt entwickelt hat, fällt mit dem Beginn einer ausgedehnten Warmphase – dem "miozänen Klimaoptimum" – zusammen. Damals schwammen in der Weinviertler Bucht mit ihren ausgedehnten Sumpflandschaften und Inseln, wo sich das Süßwasser aus einer Flussmündung mit dem Salzwasser des Meeres mischte, Haie, Rochen, Seekühe oder Alligatoren.

Eine der drängendsten Fragen der Forscher ist, wie es dazu kam, dass die rund 50.000 Schalen umfassende Struktur "dort so liegen kann", so Harzhauser, der die Geologisch-Paläontologische Abteilung am Naturhistorischen Museum (NHM) Wien leitet. Dazu brauche es ein "hydrodynamisches Ereignis", also etwa einen "riesigen Sturm oder einen Tsunami. Das Gemeine an der Sache ist, dass beides zu dieser Zeit dort ohne weiteres möglich war", erklärte der Forscher. Einerseits waren in dem heißen Klima Tropenstürme sehr wahrscheinlich, andererseits begann die Auffaltung der Alpen, die leicht Tsunamis auslösen konnte.

Blick in die Vergangenheit per Hightech-Scan

Um über diese und andere Fragen mehr zu erfahren, setzen die Forscher des NHM in Kooperation mit der Technischen Universität (TU) Wien seit 2013 im Rahmen des vom Wissenschaftsfonds FWF geförderten Projekts "Smart Geology" moderne Technologien zur digitalen 3D-Vermessung des Riffs sowie zur Datenverarbeitung und Visualisierung ein. Trotz des technischen Aufwandes könne man zur Zeit noch nicht sagen, ob es nun Stürme oder Tsunamis waren, die das Riff entstehen ließen. Die Forscher gehen aber von mindestens vier zeitlich auseinanderliegenden Ereignissen aus. Darauf lässt sich aufgrund der verschiedenen Muschelarten aus vermutlich voneinander getrennten Ökosystemen schließen.

Da die Bodensedimente in der Korneuburger Bucht "sehr fein aufzeichnende Medien sind", können die langfristigen Umweltbedingungen vor Millionen Jahren gut analysiert werden, was aus geologischer Sicht sehr spannend sei. Im Gegensatz zu diesem durchgehenden, sich langsam verändernden Bild, liefert das Riff mit seiner speziellen Entstehungsgeschichte immer wieder noch genauere, kurzfristige "Schnappschüsse" aus der Vergangenheit.

16 Millionen Jahre alte Klimadaten

Anhand ihres Wachstums und Analysen der Zusammensetzung der Austern zeigen sich sogar jahreszeitliche Muster: Man erkennt etwa besonders heiße und trockene Sommer oder niederschlagsreiche Winter. "Anhand der ältesten untersuchten Muschel können wir vierzig Jahre des Klimas vor mehr als 16 Millionen Jahren beobachten und das ist schon recht nett für Geologen und Paläontologen", so Harzhauser. Diese Daten zum beginnenden Klimaoptimum seien auch aus Sicht aktueller und zukünftiger Entwicklungen interessant: Denn laut dem Wissenschafter ist zu befürchten, dass auch uns nun eine Klimakrise mit Temperaturanstieg bevor steht. (APA, red, 4.11.2015)