Genf – Im Oktober sind nach Angaben der Vereinten Nationen mehr als 218.000 Flüchtlinge über das Mittelmeer nach Europa gekommen. Das ist die höchste Zahl, die jemals innerhalb eines Monats registriert wurde, wie das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR am Montag in Genf mitteilte.

Mit 218.394 Bootsflüchtlingen flohen im Oktober mehr Menschen über das Mittelmeer als im gesamten Jahr 2014 mit 216.000 Bootsflüchtlingen. In diesem Jahr wagten den Angaben zufolge bisher insgesamt mehr als 744.000 Menschen die gefährliche Überfahrt. Der Oktober sei der bisherige "Rekordmonat" gewesen, sagte UNHCR-Sprecher Adrian Edwards einer Nachrichtenagentur. Mindestens 3.440 Bootsflüchtlinge kamen nach UN-Angaben in diesem Jahr bereits auf dem Mittelmeer ums Leben.

Die allermeisten Bootsflüchtlinge kamen im Oktober in Griechenland an. Nur rund 8.000 landeten nach Angaben des UNHCR in Italien. 2014 hatten noch mehr als drei Viertel aller Bootsflüchtlinge über Italien die EU erreicht. Insgesamt flüchteten laut UNHCR im vergangenen Jahr 219.000 Menschen nach Europa, davon 216.000 über das Mittelmeer, die anderen über den Landweg.

Mit dem bevorstehenden Winter wird die Fahrt noch risikoreicher. "November bis März ist die typische Zeit, in der es Stürme geben kann, wo es kühler wird, wo es starke Tiefdruckgebiete mit Regen gibt. Im Mittel sind die Bedingungen ungünstiger und damit für die Flüchtlinge auch gefährlicher", sagte der Pressesprecher des Deutschen Wetterdienstes (DWD) in Offenbach, Andreas Friedrich.

Steigende Gefahr für Flüchtlinge

Auch die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) sieht eine steigende Gefahr für die Flüchtlinge. Außer Seegang könne die Kälte schnell lebensbedrohlich für die Menschen werden, sagte der DGzRS-Sprecher Christian Stipeldey in Bremen. "Die Luft selbst ist eine Gefahr. Wenn ich ohne Schutzkleidung auf offenen Booten sitze, dann kühle ich aus." Besonders dramatisch werde es, wenn Boote auf See kenterten. "Im Wasser hat man möglicherweise nur wenige Minuten, bis man bewusstlos wird oder bis man Spritzwasser einatmet und über das Spritzwasser, das man in die Lunge eingeatmet hat, innerlich ertrinkt", erklärte Stipeldey.

Da viele Flüchtlinge stunden- oder tagelang auf flachen Booten unterwegs sind, sei Spritzwasser generell eine große Gefahr, fügte er hinzu. Viele atmeten durch die Luft fliegendes Wasser mit der Atemluft ein. Sammle sich dies in der Lunge, könne es schnell lebensbedrohlich werden. "Je bewegter das Meer ist, desto mehr Wasser ist in der Luft", sagte Stipeldey. Auch aus diesem Grund sei die Überfahrt im Winter noch gefährlicher als sonst.

Große Herausforderungen sieht die DGzRS auch für die Rettungskräfte. "Im Winterhalbjahr ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass es zu außergewöhnlichen Lagen – Starkwindlagen – kommt. Je höher der Seegang ist, desto schwieriger ist die Rettung von Menschen in Not." (APA, 2.11.2015)