Die Aufnahme von WT1190F vom 9. Oktober wurde mit dem 2,2-Meter-Teleskop der University of Hawaii auf Mauna Kea gemacht.

Foto: University of Hawaii / B. Bolin, R. Jedicke, M. Micheli

Auf den ersten Blick lässt seine Bezeichnung einen Internet-Hoax vermuten – doch WT1190F ist durchaus real, und die darin enthaltene Buchstabenkombination "WTF" (für "What the fuck?", also frei übersetzt "Was zur Hölle ...?") ist nach Angaben von Wissenschaftern purer Zufall.

Bei WT1190F handelt es sich um ein Objekt, das Kurs auf die Erde hält. Es nähert sich von jenseits der Mondumlaufbahn und dürfte am Freitag, 13. November über dem Indischen Ozean weniger als 100 Kilometer südlich von Sri Lanka auf die Erdatmosphäre treffen. Die Flugbahn des Objekts weist darauf hin, dass es künstlich und damit menschengemacht ist. Diese Bahndaten sind aber so ziemlich das Einzige, was man über das mysteriöse Objekt mit Sicherheit weiß; alles andere ist vorerst reine Spekulation.

Entdeckt wurde das Objekt von Mitarbeitern des Catalina Sky Survey, eines Programms der University of Arizona in Tucson zur Beobachtung von Asteroiden und Kometen, die der Erde nahe kommen. Zunächst konnten sich die Forscher keinen Reim auf den seltsamen Körper machen, doch weitere Untersuchungen und Nachforschungen in archivierten Aufzeichnungen brachten schließlich ans Licht, dass WT1190F schon früher ins Visier irdischer Teleskope geraten war.

Ungewöhnliche Flugbahn

Seit mindestens 2012 befindet es sich demnach in Erdnähe, wahrscheinlich aber schon viel länger. Anhand dieser Informationen ließ sich schließlich auch die Flugbahn des Objekts berechnen. Und diese ist reichlich ungewöhnlich: Die Erdumlaufbahn beschreibt eine langgezogene Ellipse, deren erdfernster Punkt rund 650.000 Kilometer weit draußen liegt; das entspricht fast der doppelten Distanz zwischen Erde und Mond. Die Periapsis, also der erdnächste Punkt, ist etwas mehr als 21.000 Kilometer von der Erde entfernt. Drei Wochen benötigt der seltsame Satellit für eine Erdumrundung.

Über Aussehen und Beschaffenheit von WT1190F kann man wenig sagen. Das Objekt ist vermutlich nur wenige Meter groß. Die Flugbahn ermöglicht auch Rückschlüsse auf die Dichte: Der Strahlendruck der Sonne verändert die Umlaufbahn des Objektes in messbarem Ausmaß. Dieser Druck verhält sich proportional zu seinem Oberflächen-Masse-Verhältnis. Die Berechnungen ergaben, dass die Dichte von WT1190F unter 10 Prozent von der von Wasser liegt. Dies würde zu einem Hohlkörper passen, eine künstliche Struktur also.

Jonathan McDowell, Astrophysiker am Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics in Cambridge, Massachusetts hält das Objekt in "Nature" daher für ein verlorenes Stück Raumfahrtgeschichte, "das nun zurückkehrt, um uns heimzusuchen". Möglicherweise handle es sich um einen Treibstofftank, eine Raketenstufe oder einen Teil der Raketenverkleidung einer jüngeren Mondmission. Andere Forscher spekulieren, dass WT1190F weit älter ist und noch aus der Apollo-Ära stammt.

Identifizierung per Spektralanalysen

Um mehr über WT1190F herauszufinden, bleibt den Wissenschaftern nicht mehr allzu viel Zeit: in weniger als zwei Wochen trifft das Objekt auf die Erdathmosphäre. Gerhard Drolshagen vom Near-Earth Object Coordination Centre der Esa ist einer dieser Forscher. Er und sein Team wollen den Flugkörper bis zum 13. November anhand von Spektralanalysen identifizieren. Darüber hinaus werden sie den Absturz von WT1190F im Rahmen eines koordinierten Programms von Schiffen und Flugzeugen aus beobachten und aufzeichnen. Die gesammelten Daten würden laut Drolshagen dabei helfen, bisherige Theorien und Methoden zur Nachverfolgung von kleinen Objekten auf Kollisionskurs mit der Erde zu überprüfen.

Überleben wird WT1190F den Flug durch die irdische Lufthülle vermutlich nicht – die Experten halten es für recht wahrscheinlich, dass das Objekt mehr oder weniger vollständig in der Erdatmosphäre verglühen und dabei immerhin ein spektakuläres Feuerwerk bieten wird. (tberg, 2.11.2015)