Wien – Hat das Festival Wien Modern (offizieller Start 5. 11.) vorzeitig begonnen? Selbst die Zugabe, Igor Strawinskys Feu d'artifice Op. 4, umwehte im Wiener Musikverein die Aura historischer Modernität. Abstrakte lyrische Streicheratmosphäre, eingefasst von wuseligen, quirligen Episoden: Das hätte zusammen mit den Hauptteilen des Programms gut zum Modernefestival gepasst. Als mutig darf die Werkauswahl des Cleveland Orchestra also bezeichnet werden, das in wenigen Zugabenminuten nun entspannt, mit Leichtigkeit alle präsentierten Qualitäten zelebrierte.

Die Gäste, die noch am Samstag mit Mozart, Strauss und Verdi zu hören sind, verfügen in puncto Klang über vielgestaltige Ansätze. Bei Olivier Messiaens L'Ascension bieten sie kühlen Glanz ebenso wie – bei Bedarf etwa im Schlussteil – geigerisch Flehendes. Gleichzeitig erlangt Messiaen, dieser Gläubige der klassischen Moderne, im Rhythmischen jene präzise Behandlung, die jener quasi maschinellen Aura, die ebenfalls zum Charakter dieser Musik gehört, Rechnung trägt.

Klare Strukturen

Dirigent Franz Welser-Möst sorgt zudem für die nötige Balance zwischen Attacke und Zurücknahme, wobei er in sanften Passagen sozusagen die Innenspannung der Strukturen auch mit klanglichen Mitteln aufrechterhält. Entscheidend auch: Klarheit wie Transparenz sind immer an Ausdruck gebunden, nie Selbstzweck – bei Messaens Coleurs de la Cite Celeaste ebenso wie bei Richard Strauss' Also sprach Zarathustra.

Bei Letzterem dominierte doch überwiegend dynamische Ausgewogenheit als Quelle von Glanz. Natürlich sind auch die Clevelander nur Menschen. Etwa an hektischen Sologeigenstellen war es mitzuerleiden. In Summe aber ein glanzvoller Abend eines großen Orchesters, das wie ein immer waches Klangwesen wirkt, dessen Energie behutsam aktiviert werden muss. (Ljubisa Tosic, 30.10.2015)