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Bundeskanzler Werner Faymann und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker meinen: "Zäune haben keinen Platz in Europa."

Foto: APA/Hochmuth

Brüssel/Prishtina/Wien – Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) hat nach einem Telefonat in Übereinstimmung mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker klargestellt, "dass Zäune keinen Platz in Europa haben". Das teilte die EU-Kommission nach dem Gespräch der beiden am Mittwochabend mit. Zuvor hatte Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) von einem Zaun als technischer Sperre gesprochen.

Faymann will keine Zäune an Österreichs Grenzen sehen, auch wenn nach dem Ministerrat am Mittwoch von "technischen Sicherungen" an der Grenze zu Slowenien die Rede war. "Es kommt weder ein Zaun zu Ungarn noch ein Zaun zu Slowenien", sagte Faymann abends in der "ZiB 2". Innerhalb von Schengen gebe es keine Zäune.

Was nun an der Grenze zu Slowenien genau geplant ist, soll laut Faymann die Innenministerin vorschlagen. Sie solle gemeinsam mit Deutschland klären, ob man bei den Kontrollen etwas ändern müsse. Klar sei aber, dass kein einziger Flüchtling weniger kommen werde, egal welche technischen Hilfsmittel man heranziehe oder was man organisatorisch ändere: "Wer das vorspielt, streut Menschen Sand in die Augen." Um die Situation zu entschärfen, müsse in erster Linie die Lage in den Krisengebieten selbst verbessert werden.

Mikl-Leitner: "Technische Sperre"

Während ihres Besuchs des steirischen Grenzübergangs Spielfeld am Dienstag hatte Mikl-Leitner das Wort "Zaun" noch vermieden. Am Mittwoch sagte sie dann: "Natürlich geht es auch um einen Zaun." Etwa zehn Tage solle die Planung der "technischen Sperre" dauern. Es gehe aber nicht darum, "rund um Österreich einen Zaun" zu bauen. Und: "Ein Zaun hat auch ein Tor."

"Ein Türl mit Seitenteilen"

Faymann und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) versicherten nach dem Ministerrat, dass sich die Republik nicht abschotten wolle. "Es ist ein Unterschied, ob man eine Grenze baut oder ob man ein Türl baut mit Seitenteilen", sagte der Bundeskanzler am Vormittag.

Bundespräsident Heinz Fischer, derzeit auf Besuch im Kosovo, äußerte bei einer Pressekonferenz mit seiner kosovarischen Kollegin Atifete Jahjaga Verständnis für die Ankündigung der Innenministerin. Österreich sei angesichts der Zahl der Flüchtlinge "an die Grenzen der Kapazitäten gestoßen", so Fischer. "Man soll jetzt einmal abwarten, wie die Resultate konkret ausschauen."

6.000 Flüchtlinge am Mittwochabend

Verteidigungsminister Gerald Klug (SPÖ) antwortete auf die Frage, ob es sich um Zäune handeln werde, dass es "viele Möglichkeiten" gebe, etwa "Absperrgitter oder Container". Sie sollten auf jeden Fall eine "geordnete, aber kontrollierte" Abwicklung der Flüchtlingsbewegung ermöglichen. Keinesfalls dürfe man jedoch "den Aspekt der Menschlichkeit aus den Augen verlieren".

Täglich kommen tausende Flüchtlinge über die steirisch-slowenische Grenze nach Österreich. Am Mittwoch gegen 19 Uhr befanden sich im Sammelzentrum in Spielfeld rund 6.000 Flüchtlinge, teilte die Polizei mit. Der Großteil konnte in den beheizten Zelten des Roten Kreuzes untergebracht werden, man bemühe sich, in der Nacht noch bis zu 2.000 dieser Menschen in Transitquartiere zu bringen, sagte Polizeisprecher Joachim Huber.

Slowenien erwägt weitere Maßnahmen

Slowenien erwägt unterdessen ebenfalls weitere Maßnahmen an der Grenze. Sollten die beim EU-Sondergipfel zur Flüchtlingskrise getroffenen Vereinbarungen nicht umgesetzt werden, werde auch Slowenien zusätzliche Maßnahmen ergreifen müssen, um den Zustrom von Flüchtlingen einzudämmen, sagte Ministerpräsident Miro Cerar nach einer Sitzung des slowenischen Sicherheitsrats.

Beim Sondertreffen am Sonntag wurde vereinbart, dass auf der Balkan-Route 100.000 Unterkünfte geschaffen werden sollen. Zur besseren Information über die Flüchtlingsströme werden alle Staaten eine Kontaktperson nennen, das Grenzmanagement wird verstärkt.

Dass die Entscheidungen des Balkangipfels rasch umgesetzt werden müssen, "um eine humanitäre Katastrophe auf dem Westbalkan zu vermeiden", darüber waren sich auch Faymann und Juncker einig. Insbesondere müssten Aufnahmekapazitäten für 50.000 Flüchtlinge auf der Balkanroute geschaffen werden. Juncker habe Faymann aufgerufen, eng mit der Kommission und dem UN-Flüchtlingshochkommissariat zusammenzuarbeiten, um sicherzustellen, dass dieses Ziel so rasch wie möglich erreicht werde, auch durch einen Beitrag Österreichs. Der permanente Kontakt der "Chefs" und der Kotaktpersonen der betroffenen Staaten sei wichtig. Die EU-Kommission hat für Donnerstag eine erste Videokonferenz einberufen, um die Fortschritte zu prüfen. (APA, 28.10.2015)