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In einen Abstimmungsskandal verwickelt: Marine Le Pen.

Foto: AFP PHOTO / PHILIPPE HUGUEN

Wenige Wochen vor wichtigen Regionalwahlen in Frankreich ist die Chefin des Front National, Marine Le Pen, offenbar in einen gröberen Abstimmungsskandal im Europäischen Parlament verwickelt, der negative Auswirkungen auf ihre Chancen auf das Amt der Präsidentin der Region Nord-Pas-de-Calais-Picardie haben könnte.

Mittwochabend wurde dem STANDARD von der Direktion des Europaparlaments bestätigt, dass Ermittlungen gegen Le Pen laufen. Sie ist EU-Abgeordnete und Vorsitzende der Fraktion "Europa der Freiheit und der Nationen" (EFN), der auch die FPÖ angehört. Ein Sprecher sagte: "Es gibt starke Indizien dafür, dass die Abstimmungskarte von MEP Le Pen siebenmal verwendet wurde, nachdem sie das Plenum verlassen hatte."

Der Skandal kündigte sich am Mittwoch bereits während der laufenden Abstimmung am Nachmittag an. Nach dem Votum über einen Bericht zur "Strategie für die Region Adria/Ionisches Meer" meldete sich die christdemokratische Abgeordnete Anna Maria Corazza Bildt (Frau des ehemaligen schwedischen Ministerpräsidenten Carl Bildt) zu Wort. Sie erklärte, dass sie die Abwesenheit von Le Pen feststelle, und forderte dann den Präsidenten der Sitzung auf, das Abstimmungsverhalten der Französin zu überprüfen.

Verwirrung

Das löste zunächst einige Verwirrung aus. Corazza Bildt hatte offenbar beobachtet, wie ein Fraktionskollege von Le Pen, der Niederländer Marcel de Graaff, mit ihrer Stimmkarte elektronisch anstelle seiner Chefin in einer Hand und zeitgleich mit seiner eigenen Karte in der anderen Hand abstimmte. Der Abgeordnete der "Freiheitspartei" (PVV) von Geert Wilders soll inzwischen zugegeben haben, dass er die Karte von Le Pen verwendet habe. Dabei soll es aber nicht geblieben sein. Wie der STANDARD erfahren hat, soll auch Nicolas Bay, Generalsekretär der Fraktion, in der Vergangenheit für Le Pen abgestimmt haben. Detail am Rande: de Graaf und Bay sitzen im Plenum direkt links und rechts neben Le Pen.

Abstimmungsergebnisse im Parlament zu fälschen, das ist in Frankreich kein geringes Delikt: nicht auszuschließen, dass dies im laufenden Regionalwahlkampf ein großes Thema werden wird. Le Pen selber ist es, die die Verkommenheit des politischen Systems und französischer Politiker frontal anprangert.

Geldstrafen

Was das Europäische Parlament betrifft, könnten de Graaff, Bay und möglicherweise auch Le Pen Geldstrafen und ein Aussetzen des Mandats drohen. Darüber wird das Präsidium zu befinden haben.

In einer ersten Reaktion meinte Le Pen gegenüber L'Express: "Falls das jemand gemacht hat, dann ohne meine Zustimmung." (Thomas Mayer, 28.10.2015)