Regelmäßiges Aufgraben des Bodens im Frühjahr hilft wilden Tulpen und Weinbergs-Hyazinthen.

Illustration: Dennis Eriksson

"Du", sagte die benachbarte Gartlerin, "ich hab's satt. Immer dieselben Blumen, dieselben Beete, dieselben Rabatten, immer dieselbe Hacke – ich werde auf von Thujen umzingelten Rasen umstellen, samt Mähroboter. Dann bin ich endlich befreit vom Gartentrott."

"Ojemine", antwortete der Gärtner von nebenan durch das Astloch im Holzzaun, "bist ein bisserl vom Ennui-du-Jardinage infiziert, gell? Aber ich habe etwas für dich! Hast schon einmal was vom Geranio-Allietum gehört? Das ist derzeit der heißeste Scheiß zwischen Great Dixter und Sissinghurst. Schau dir das mal an!" So geschah es.

Die gelangweilte Gartlerin blätterte blasiert im Buch Blatttragende Blumen von Blasius Blauensteiner, im Bliamale-Verlag erschienen, und wurde tatsächlich fündig. Unter dem Eintrag Geranio-Allietum fand sie ein brauchbares Zitat, welches sie sofort mit einem neuen Gartel-Virus infizierte.

Themengarten gewünscht

Da stand: "Weinbergslauch-Gesellschaft, rebspezifische Unkrautgesellschaft mit zahlreichen Zwiebelpflanzen, z. B. Allium vineale (Lauch), Muscari racemosum (Träubelhyazinthe), Ornithogalum nutans (Milchstern) und Tulipa sylvestris (Tulpe); durch intensive Bodenbearbeitung und Mulchbetrieb gefährdet (Copyright 1999 Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg)."

So etwas musste die Gartlerin haben, um jeden Preis. Nicht mehr nur ein einfach schöner Garten, nein, ein Themengarten musste es in den kommenden Jahren sein. Das Nachstellen eines in der Natur natürlich vorkommenden Biotops wurde zu ihrem Leitstern. Sie riss ihre Rabatten heraus, stampfte die Beete ein und besorgte sich auf allen möglichen und unmöglichen Wegen Samen und Zwiebeln für ihre Weinbergslauch-Gesellschaft.

Wie im Weingarten

Dieser Garten hielt sie auf Trab. Denn was im Weingarten aus weinbautechnischen Gründen passiert, musste sie nachstellen: intensive Bodenbearbeitung und -behandlung. Gerade diese Eingriffe führen dazu, dass sich sonst unterdrückte Arten durchsetzen. So hilft zum Beispiel das jährliche Aufgraben und Anhäufeln in Stocknähe den Wilden Tulpen Tulipa sylvestris. Die Wilden Tulpen duften intensiv und bedecken bald große Flächen, wenn man regelmäßig im Frühjahr den Boden aufgräbt – das Aufgraben vernichtet die Tulpenkonkurrenz.

Auch die entzückende Weinbergs-Hyazinthe Muscari racemosum setzt sich nur durch, weil ihr Mitbewerb die Herbizidgaben nicht überlebt. Das gilt auch für den wunderschönen Milchstern und die Hundsrose.

Der Gartlerin stand sehr viel Arbeit ins Haus, aber sie war wieder guter Dinge. Man braucht eben nur ein Ziel. (Gregor Fauma, RONDO, 9.11.2015)