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Siegreiche Spitzenkandidatin in Polen: Beata Szydło.

Foto: REUTERS/Pawel Kopczynski

Die Ausstrahlung großer Volkstribune mag ihr fehlen, ihr Auftreten galt lange als altbacken und sie selbst manchen Kommentatoren als Marionette – aber eines beherrscht Beata Szydło zweifellos: aus der Geringschätzung durch Medien und Eliten politisches Kapital zu schlagen. Schon im Frühjahr hatte sie dem zuvor weitgehend unbekannten Europaabgeordneten Andrzej Duda als Wahlkampfmanagerin zur polnischen Präsidentschaft verholfen. Nun, nach dem überzeugenden Sieg der rechtsnationalen "Partei Recht und Gerechtigkeit" (PiS), steht sie selbst davor, von der einfachen Abgeordneten zur polnischen Regierungschefin aufzusteigen.

Denn dieses Gefühl, von der Regierung in Warschau für nicht ganz voll genommen zu werden, teilt die 52-jährige Tochter einer Bergarbeiterfamilie aus der Kleinstadt Brzeszcze mit vielen Polinnen und Polen, die trotz des beträchtlichen Wirtschaftswachstums der vergangenen Jahre den Eindruck haben, nur wenig vom Fortschritt profitiert zu haben. Deshalb wohl stellte Szydło in ihrem Wahlkampf auch vor allem ihre bescheidenen Ursprünge ins Zentrum, während ihre Studien der Ethnografie in Krakau und des Kulturmanagements in Warschau eher in den Hintergrund rückten.

Die bisherige Premierministerin Ewa Kopacz von der rechtsliberalen PO könnte es jedenfalls bald bereut haben, Szydłos überraschende Nominierung im Sommer schlicht als "Betrug" bezeichnet zu haben. Zwar mag ihre Vermutung stimmen, wonach PiS-Parteichef Jarosław Kaczyński plante, Szydło nur als annehmbareres Gesicht in den Vordergrund zu stellen, selbst aber weiter die Fäden zu ziehen. Doch Szydłos Auftreten lässt Zweifel daran aufkommen, dass sie ihm diesen Gefallen so einfach tun würde.

Und obwohl die designierte Regierungschefin als weniger unversöhnlich gilt als ihr Parteivorsitzender: Viele Ansichten teilt sie ohnehin mit ihm. Sie gilt als kritisch gegenüber der EU, hart in der Flüchtlingsfrage und streng in der Umsetzung katholischer Lehrmeinungen im Alltag.

So ließ sie als Zeugen ihrer Durchsetzungskraft dann auch ihren Mann Edward auftreten, den sie 1987 geheiratet hat. Den beiden gemeinsamen Söhnen hat sie nach eigenen Aussagen mit auf den Lebensweg gegeben, es gebe keinen besseren Leitfaden für das menschliche Zusammenleben als die Zehn Gebote. Zumindest einer, Tymoteusz, nahm es wörtlich. Er arbeitet derzeit als Diakon. (Manuel Escher, 26.10.2015)