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Der griechische Premier Alexis Tsipras wird den Forderungen der deutschen Kanzlerin Angela Merkel in der Flüchtlingskrise nicht ganz gerecht.

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Bundeskanzler Werner Faymann nahm auch an dem Treffen in Brüssel teil. Begrüßt wurde er herzlich von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker.

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Der serbische Premier Aleksandar Vucic ist sich nicht sicher, ob bei dem Treffen etwas vereinbart wird, das unmittelbar hilfreich ist.

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Brüssel – Staats- und Regierungschefs der von der Flüchtlingskrise besonders betroffenen Nationen trafen sich am Sonntag zu einem Sondergipfel in Brüssel. Nach Angaben der EU-Kommission haben sich die Teilnehmer auf einen 17-Punkte-Aktionsplan geeinigt, mit dem sie die drei zentralen Herausforderungen der Situation lösen wollen: Adäquate Unterkünfte zu bieten, die Bewegungen der Flüchtlingsgruppen gemeinsam zu steuern und die Sicherung der Außengrenzen zu gewährleisten.

"Die vergangenen Wochen haben gezeigt, dass sich die Aufgaben entlang Balkanroute nicht allein durch nationale Bemühungen lösen lässt", heißt es in einer Presseaussendung der Kommission von Sonntagabend. Demnach haben sich die Staats- und Regierungschefs von Albanien, Bulgarien, Deutschland, Griechenland, Kroatien, Mazedonien, Österreich, Rumänien, Serbien, Slowenien und Ungarn darauf geeinigt, "die Zusammenarbeit zu verbessern und sich auf operationale Maßnahmen zur Bewältigung der Flüchtlingskrise geeinigt".

Zusammen statt gegeneinander

Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sagte: "Betroffene Länder sollen nicht nur übereinander, sondern miteinander sprechen. Nachbarn sollen zusammen- und nicht gegeneinander arbeiten. Flüchtlinge müssen entlang der Balkanroute human behandelt werden, um eine humanitäre Katastrophe zu verhindern." Der 17-Punkte-Plan soll auch gewährleisten, dass Menschen nicht bei Regen und Kälte auf sich allein gestellt sind.

Die Punkte sind in acht Kategorien eingefasst und sollen bereits ab Montag umgesetzt werden: Die betroffenen Staaten sollen für einen permanenten Informationsaustausch einen Ansprechpartner nominieren. Für Österreich wird das der Europa- und Außenpolitische Berater von Kanzler Werner Faymann (SPÖ), Raphael Sternfeld, sein. Unkontrollierte Bewegungen von Gruppen – das sogenannte Durchwinken – Richtung der Grenzen von Staaten, ohne dass diese davon wissen, sollen verhindert werden. Flüchtlinge sollen in der Erfüllung der Grundbedürfnisse unterstützt und ihnen Unterkunft gewährt werden. Dafür sollen mit logistischer Unterstützung des UNHCR und finanzieller Hilfestellung der EU bis Jahresende 50.000 Plätze in Griechenland geschaffen werden. Weitere 50.000 sollen für den Winter zwischen Griechenland und Österreich dazukommen. Auch internationale Finanzinsitutionen sollen sich beteiligen.

Es soll eine gemeinsame Steuerung der Ströme gewährleistet werden, dabei helfen sollen die Registrierung unter "maximalem Einsatz" biometrischer Daten. Auch Abschiebungen bei Fehlen eines Asylgrunds sollen verstärkt gemeinsam und unter Mithilfe der Grenzschutzagentur Frontex bewerkstelligt werden. Rückführungsabkommen mit Drittstaaten sollen entstehen oder überarbeitet werden. Konkret werden Afghanistan, Bangladesch und Pakistan genannt.

Der Fokus soll stärker auf das Grenzmanagement gelegt werden, unter anderem durch die Finalisierung des jüngst aufs Tapet gebrachten Aktionsplans mit der Türkei und erhöhten Kontrollen zwischen Griechenland und Mazedonien sowie Albanien, zwischen Bulgarien und der Türkei sowie zwischen Kroatien und Serbien unter Einbindung von UNHCR und Frontex. Nach Slowenien sollen innerhalb einer Woche 400 Polizisten aus anderen EU-Staaten entsendet werden.

Frontex soll mit Europol und Interpol stärker gegen Schlepperei und Menschenschmuggel vorgehen. Flüchtlinge und Migranten sollen durch alle möglichen Kommunikationsmittel über ihre Pflichten und Rechte informiert werden. Die Fortschritte alle diese Maßnahmen sollen auf wöchentlicher Basis beobachtet und überwacht werden

Kritik an Tsipras

Die vom Gipfel vereinbarten 17 Punkte sollen zu einer Verlangsamung der Flüchtlingsbewegungen führen, hieß es in EU-Kreisen weiter. So sollen Syrien-Flüchtlinge überzeugt werden, dass sie besser in Griechenland auf Umverteilung in der EU warten sollten, anstatt sich entlang der Balkanroute selbst auf den Weg nach Deutschland zu machen. Die EU zahle für die Verteilungsflüge, wer auf eigene Faust weiterreise, habe keinen Anspruch auf Unterstützung, sondern gelte als illegaler Einwanderer, der zuerst registriert werden müsse, bevor er einen Asylantrag stellen könne.

Wie genau die geplante Unterbringung von bis zu 50.000 Flüchtlingen in Griechenland laufen soll, war aber auch nach dem Gipfel unklar. "Ein Monster-Lager für 50.000 Menschen wird es nicht geben", sagte der für Migration zuständige Vizeminister Giannis Mousalas (Mouzalas) am Montag dem griechischen Nachrichtensender "Vima FM". 20.000 Menschen sollten in Wohnungen untergebracht werden. Die Mieten dafür sollten vom UNO-Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR) gezahlt werden, sagte Mousalas.

Der griechische Regierungschef Alexis Tsipras hatte nach dem Treffen in Brüssel eine andere Version präsentiert: "Wir bleiben bei unseren anfänglichen Verpflichtungen, die fünf Hotspots (Registrierstellen) auf den fünf Inseln zu vollenden ... und Aufnahmemöglichkeiten für 20.000 Menschen auf dem Festland zu schaffen", sagte Tsipras. Zudem sollten 7.000 Plätze auf den Inseln rund um die Hotspots entstehen, wie Tsipras' Büro Montag früh schriftlich mitteilte.

Bereits vor dem Treffen in Brüssel hatten mehrere Regierungschefs Alexis Tsipras dafür kritisiert, zu wenig zur Eindämmung des Flüchtlingsstroms über den Westbalkan Richtung Mitteleuropa zu tun. Der mazedonische Ministerpräsident Giorge Ivanov beschuldigte das Nachbarland, Gespräche auf höherer politische Ebene zu verweigern. Sein Land wolle zumindest verlässliche Angaben haben, wann Griechenland wie viele Migranten über die Grenze schicke. Ein EU-Vertreter kritisierte: "Es ist inakzeptabel, dass ein Land mit so hohen Verteidigungsausgaben keine Patrouillen an seinen Seegrenzen machen kann."

Deutsche Regierung reagiert verhalten

In der deutschen Regierung werden die Erfolgsaussichten der Brüsseler Beschlüsse eher verhalten eingeschätzt. Entwicklungshilfeminister Gerd Müller warnte am Montag im Südwestrundfunk, die entlang der Balkanroute geplanten 100.000 Aufnahmeplätze für Flüchtlinge dürften nicht nur auf dem Papier stehen.

Die Koordinierung müsse jetzt am besten EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker selbst in die Hand nehmen. Auch Kanzleramtsminister Peter Altmaier wertete die nächtlichen Beschlüsse des Sondergipfels, die zu mehr Ordnung entlang der sogenannten Balkanroute führen sollen, lediglich als ersten Schritt, um die mit der hohen Zuwanderungszahl verbundenen Probleme zu lösen.

Österreichs Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) hat sich am Montag mit den Ergebnissen des EU-Sondertreffens zur Flüchtlingsproblematik entlang der Balkanroute zufrieden gezeigt: Es handle sich um einen "wichtigen Schritt in die richtige Richtung", sagte sie am Rande der Feierlichkeiten zum Nationalfeiertag. (red, APA, Reuters, 25.10.2015)