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Dies war Adam Ashley-Coopers zweiter Streich.

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Schrammen I: Facundo Isa.

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Schrammen II: Scott Fardy.

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Wien/Twickenham – Das zweite Halbfinale bei der Rugby-WM in England galt im Vorfeld als bei weitem nicht so klare Angelegenheit wie die Auseinandersetzung zwischen dem regierenden Champion Neuseeland und Südafrika am Samstag. Zwar wurde dem australischen Team die Favoritenrolle zugestanden, Argentinien jedoch taxierte man als so gut wie auf Augenhöhe befindlich.

Diese Einschätzung beruhte nicht zuletzt auf dem hervorragenden Eindruck, den die Pumas im bisherigen Turnierverlauf hinterlassen hatten. Konnte man schon in der Gruppenphase gegen die All Blacks immerhin eine Stunde lang gut mithalten, begeisterte der Viertelfinal-Auftritt gegen Irland nachgerade. Die Formkurve machte Lust auf mehr.

So etwas wie eine Neuerfindung

Australien und Argentinien, das sind Mannschaften im Wandel – wenn auch unter umgekehrten Vorzeichen. Die Südamerikaner, traditionell auf (mehr als) solides Scrummaging und sicheres Kicken setzend, zeigen sich heute völlig verwandelt. Standards werden nun als Ausgangspunkt für schnelles Angriffsspiel genutzt, Argentiniens Backs, die einst den Ball nur vom Hörensagen kannten, tänzeln jetzt im Höchsttempo die Linien herunter. Kurz: Aus einem zwar seit jeher schwer zu schlagenden, dabei aber des öfteren eher trübe anzusehenden Bollwerk, wurde ein quecksilbrig elektrisierendes Ensemble. Punkte machen, statt den Gegner an selbigem zu hindern, das ist die Philosophie. Die Tatsache, dass Argentinien seit vier Jahren im Rugby-Championship mitmischen darf, wo spielerische Tugenden als unverzichtbar gelten, kann als Katalysator dieser Revolution identifiziert werden.

In Australien wiederum ging man in den letzten Monaten daran, die ewige Achillesferse der Wallabies einer Rosskur zu unterziehen: das Gedränge. Es ist noch nicht lange her, seit das australische Pack von Walisern, Franzosen und Engländern nach Belieben vor sich her getrieben worden war. Abhilfe war dringlich und man fand den richtigen Mann, um diese auch zu bewerkstelligen: Mario Ledesma, natürlich Argentinier. Der ehemalige Hooker transformierte ein Schlamassel innerhalb weniger Monate in einen Aktivposten. Nicht zuletzt aufgrund der Dominanz im Scrum überlebte das Team von Chefcoach Michael Cheika die Todesgruppe A komfortabel, konnte Gastgeber England in Frühpension verabschiedet werden. Wahrlich genügend Stoff für eine interessante Ausgangsposition also.

Blitzstart

Am Sonntag ging dann zu Beginn aber alles zu schnell für Argentinien, die Wallabies dagegen legten mit zwei Tries in den ersten zehn Minuten einen Traumstart hin. Rob Simmons hatte in den Gehirnwindungen des Nicolas Sanchez wie in einem Buch gelesen, einen Pass des Scrum-Halfs abgefangen – und weg war er (2.). Wunderbar die Aktion vor dem zweiten Versuch, als Bernard Foley mit einem perfekt getimten Zuspiel auf die rechte Seite heraus Adam Ashley-Cooper auf die Reise schickte (10.).

Erst im Finish der ersten Halbzeit sahen 80.025 in Twickenham erste Ansätze des argentinischen Laufspiels aufblitzen. Bei einem herrlichen Konter über Martín Landajo schien ein Versuch zur Abholung bereit, der letzte Offload von Sanchez ging jedoch zu weit nach hinten – Joaquin Tuculet konnte den Ball nicht mehr erreichen. Trotzdem blieben die Pumas im Spiel. Ihr Scrum erwies sich als solide genug, um Sanchez regelmäßig die Gelegenheit zu verschaffen, Penalties zwischen die Malstangen zu schicken. Halbzeitstand 19:9.

Kein Durchkommen

Die Intensität in Twickenham blieb immens, mit Hingabe bearbeiteten sich beide Seiten. Von immer mehr Häuptern und Nasen tropfte das Blut. Mit zunehmender Spieldauer steigerte sich auch der Mut der Verzweiflung, mit dem die Pumas anrannten. Mehr als Achtungserfolge ließ die konzentriert arbeitende australische Defensive jedoch nicht zu. Schon im Gruppenspiel gegen Wales hatte diese vorgeführt, wie mit unausgesetzem Druck umzugehen ist. 142 Tackles liefen auf, mehr als in jedem anderen Match der Wallabies bei dieser WM.

Acht Minuten vor Schluss entschieden sie dann die Partie endgültig zu ihren Gunsten. Drew Mitchell marschierte fast über das ganze Feld, serviert Ashley-Cooper dessen dritten Try auf dem Silbertablett (72.). Beim Stand von 15:29 war ein Comeback ausgeschlossen.

Australien vs. Argentinien: Höhepunkte.
World Rugby

Auf der Tribüne brach Argentiniens Coach Daniel Hourcade in Tränen aus, seiner tapferen Equipe blieb ein Ehrenversuch trotz allen Bemühens versagt. Der elfte Sieg in den letzten zwölf Vergleichen mit den Pumas katapultierte die Australier in ihr insgesamt viertes WM-Finale. Dort steigt nun das Duell mit Neuseeland, dem 1500 wässrige Kilometer entfernten Nachbarn. Für beide Seiten geht es am kommenden Samstag um den dritten Titel, der Triumphator wird sich Rekord-Weltmeister nennen dürfen. (Michael Robausch, 25.10. 2015)