Minister Klug: "Das Bundesheer zeichnet sich als strategische Reserve durch besonders hohe Durchhaltefähigkeit aus."

Foto: Bundesheer/Pusch

STANDARD: An diesem Wochenende veranstaltet das Bundesheer seine Leistungsschau zum Nationalfeiertag. Halten Sie das Bundesheer wirklich noch für herzeigbar?

Klug: Selbstverständlich – mir ist wichtig, dass das Bundesheer eine Armee zum Anfassen bleibt. Auf der einen Seite richten wir die Armee auf die einsatzwahrscheinlichen Aufgaben aus, auf der anderen Seite investieren wir kräftig zum Beispiel mit einem Sonderinvest von 616 Millionen Euro. Es können daher alle nicht nur stolz auf die Armee sein, sondern sich auch auf Schutz und Hilfe verlassen.

STANDARD: Aber nur, wenn man die allerletzten Reserven beansprucht?

Klug: Da tut man der Armee unrecht. Gerade jetzt zeigen wir beim sicherheitspolizeilichen Assistenzeinsatz und bei der Unterstützung für die NGOs bei der Flüchtlingsbetreuung, was wir an PS auf die Straße bringen. Und auch bei einer Katastrophe stehen wir selbstverständlich zur Verfügung – mit voller Leistungsfähigkeit.

STANDARD: Das ist doch eine Momentaufnahme. Derzeit ist der Assistenzeinsatz durch die Kaderpräsenzeinheiten gewährleistet – aber das ist in dieser Form nicht über viele Monate darstellbar?

Klug: Das Bundesheer zeichnet sich als strategische Handlungsreserve der Republik durch eine besonders hohe Durchhaltefähigkeit aus. Allerdings bin ich der Meinung, dass bei den Flüchtlingsherausforderungen an mehreren Schrauben gleichzeitig gedreht werden muss. Das ist eine große Herausforderung für Europa und darüber hinaus.

STANDARD: Sie wollen hier auf das Engagement in Afrika hinweisen?

Klug: Ich bin nach wie vor der Meinung, dass wir im Sinne einer Ursachenbekämpfung den Krisen dort begegnen oder vorbeugen, wo sie entstehen können. Das ist ein Beitrag für die europäische Sicherheit und für die eigene Sicherheit. Wir müssen in Europa erkennen, dass wir mehr für die eigene Sicherheit tun müssen. Im Zuge meines Truppenbesuchs in Mali habe ich mir vor Ort mit meiner deutschen Amtskollegin von der Leyen ein Bild von der Lage machen können: Ich freue mich, dass wir ein Commitment zur Beteiligung an der Mission Minusma gemeinsam auf die Beine gestellt haben.

STANDARD: Zunächst aber geht es um die Herausforderung an das Bundesheer, Assistenz zu leisten. Und das wird mit den vorhandenen Kräften wohl nicht bis ins Frühjahr funktionieren?

Klug: Wir haben zur Stunde 1500 Soldatinnen und Soldaten im sicherheitspolizeilichen Assistenzeinsatz auf Anforderung der Innenministerin. Der Ministerratsvortrag sieht eine Aufwuchsfähigkeit auf bis zu 2200 Soldatinnen und Soldaten vor, da haben wir Luft nach oben. Wir werden, wenn es notwendig ist, auch 2016 zur Verfügung stehen.

STANDARD: Warum nimmt man dafür nicht die Miliz, es steht ja gerade im November eine große Milizübung an?

Klug: Im ersten Schritt kommen wir mit unseren Kaderpräsenzeinheiten aus. Ich kann aber aufgrund einer Lageveränderung den Einsatz der Miliz im Zusammenhang mit dem sicherheitspolizeilichen Assistenzeinsatz nicht ausschließen. Im Konzept "ÖBH 2018" gewinnt die Miliz im Bundesheer an Bedeutung – was die Ausrüstung, aber auch was die Frage des Aufwuchses an Kompanien betrifft.

STANDARD: Die wehrpolitischen Organisationen sehen das anders. Die haben diese Woche den Vorwurf erhoben, dass auf absehbare Entwicklungen nicht entsprechend vorbereitet wurde. Hat das Bundesheer seine Hausaufgaben gemacht?

Klug: Ganz sicher. In der Sicherheitsstrategie und in der Teilstrategie Landesverteidigungspolitik lassen wir einen Sonderexpertenpool aufwachsen, der bei solchen Lagen zum Einsatz kommen soll. Darüber hinaus straffen wir unsere Strukturen so, dass wir ausreichend Personal und Gerät zur Verfügung stellen können. Aber in diesem engeren Kontext muss der Einsatz primär im Zuständigkeitsbereich des Innenministeriums koordiniert werden.

STANDARD: Wer finanziert das eigentlich, zahlt das Bundesheer die Assistenz aus der eigenen, ja nicht sehr prall gefüllten Tasche?

Klug: Wir haben uns naturgemäß zuerst der Aufgabe gewidmet, dass der Assistenzeinsatz professionell durchgeführt wird. Ich habe immer gesagt: Wir klären die finanziellen Fragen zu einem späteren Zeitpunkt. Ich freue mich, dass es ein Commitment auf Regierungsebene gibt, dass die objektiv messbaren Mehrbelastungen – die entstehen sowohl bei der Polizei als auch beim Bundesheer – finanziell abgegolten werden. Das ist grundsätzlich eine Selbstverständlichkeit, aber ich freue mich, dass es ein Bekenntnis dazu gibt.

STANDARD: Das sind also Zahlungen, um die Sie nicht werden streiten müssen?

Klug: Ich gehe davon aus, dass das geklärt ist. (Conrad Seidl, 24.10.2015)