Doris Hummer lässt offen, ob sie das Angebot, Klubobfrau zu werden, annehmen wird. Eines stehe aber fest: "Ein Klubobmann kommt jetzt nicht infrage."

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Linz/Wien – Doris Hummer, die nach einer Abstimmung im ÖVP-Landesparteivorstand ihren Sitz in der oberösterreichischen Landesregierung verloren hat, lässt offen, ob sie das Angebot, Klubobfrau zu werden, annehmen wird. Aber eines stehe fest: "Ein Klubobmann kommt jetzt nicht infrage", sagte sie Donnerstagfrüh. Die Entscheidung des Parteivorstands sei persönlich enttäuschend, so Hummer. "Es hat nichts gebracht, dass ich von Wirtschaftsbund und ÖVP-Frauen unterstützt worden bin. Man muss das auch sportlich nehmen." Letzteres falle ihr aber schwer, weil es im Sport – im Gegensatz zur Politik – immer um die Leistung gehe.

Landtag ja, Klubvorsitz offen

Ihr Landtagsmandat will Hummer antreten. "Ich war nie auf eine Funktion angewiesen", so die Unternehmerin. Landeshauptmann Josef Pühringer (ÖVP) erklärte am Donnerstag auf die Frage, ob es dann trotzdem einen weiblichen Fraktionschef geben wird: "Davon gehe ich aus."

Hummer macht es spannend

Ob sie das Angebot, Klubobfrau zu werden, annehmen wird, habe sie zwar schon vor Wochen entschieden, erklärte Hummer, sie werde es aber erst im am Freitag im Parteivorstand bekanntgeben. Auch wenn sie es nicht machen sollte, müsse eine Frau Fraktionschefin werden. Zum zweiten Angebot von Landeshauptmann Pühringer, dass sie in die Landesregierung nachrücken soll, sobald jemand ausscheidet, will sie vorerst auch nichts sagen. Das liege noch zu weit in der Zukunft. Aber auch hier plädiert sie dafür, dass in jedem Fall eine Frau zum Zug kommt.

Blinde Flecken

"Es geht darum, wie glaubwürdig wir sind als Volkspartei", sagte Hummer. Das sei man aber nur, wenn auch Frauen mitgestalten. "Sonst sind wir blind auf manchen Flecken." Als Beispiel für weiblichen Input nannte sie den Ausbau der Kinderbetreuung: Die Krabbelstuben seien bis 2009 im Sozialressort beheimatet gewesen. Damit habe man ausgedrückt: "Das brauchen nur Sozialfälle, die es allein nicht schaffen." Sie nimmt für sich in Anspruch, hier einiges geändert zu haben – nicht nur beim heute größeren Angebot, auch im Denken.

Rüge von schwarzer Frauenchefin

ÖVP-Frauenchefin Dorothea Schittenhelm ist erbost über die Vorgänge in der oberösterreichischen Landesgruppe. Dass Hummer ihren Sitz in der Landesregierung verloren hat und diese damit komplett ohne Frauen auskommt, sei "ungeheuerlich", stellte Schittenhelm fest: "Ich bin entsetzt und fassungslos über die Vorgangsweise in Oberösterreich." Selbst wenn man auf die Abstimmung im Landesparteivorstand verweise, sei klar gewesen, wie das Ergebnis aussehen wird: "Das war abgemachte Sache, das war nur Show, sodass man nicht selbst entscheiden muss." Bei der Sitzung seien 34 Mitglieder anwesend gewesen, davon sechs Frauen. 28 Personen hätten sich gegen Hummer ausgesprochen.

Kein Regierungssitz, obwohl stark, schwarz, weiblich

Dass Pühringer Hummer nun ein Rückkehrrecht angeboten hat, wenn jemand aus der Regierung ausscheidet, ärgert Schittenhelm zusätzlich: "Warum hat man das nicht einem Mann angeboten?" Hummer habe "wirklich tolle Arbeit" geleistet und verfüge über die höchsten Beliebtheitswerte nach Pühringer. "Sie ist die geborene Politikerin" und verkörpere das Ziel, die ÖVP "jünger, weiblicher, moderner" zu machen, so die Frauenchefin.

Gerade dieser Beschluss des Bundesparteitags, um mehr Frauen in die Politik zu bringen, sei damit "null und nichtig". Die ÖVP Oberösterreich sei hier ebenso dabeigewesen und habe nun "ihr wahres Gesicht gezeigt", erklärte Schittenhelm. Mit Bundesparteichef Reinhold Mitterlehner habe sie zwar noch nicht gesprochen, Schittenhelm zeigte sich aber überzeugt: "Ich glaube, er ist genauso entsetzt wie ich." Natürlich sei das eine oberösterreichische Entscheidung gewesen, "aber das schadet der Gesamtpartei": "Wie man so kurzsichtig entscheiden kann nach so einem Desaster (Stimmenverlust bei der Landtagswahl, Anmerkung), das ist mir schleierhaft. Die Frauen sicherten der ÖVP in Oberösterreich den ersten Platz, das sind Fakten."

Schittenhelm fordert Reißverschlusssystem in ÖVP

Bei der Entscheidung sei es um "reines Machtstreben" gegangen. Sie komme normalerweise mit allen ÖVP-Bünden gut aus, aber: "Das haben sich die großen Bünde ausgemacht." Es sei eine "grobe Fehlentscheidung gewesen, ganz gegen die Bevölkerung und die Frauen", so Schittenhelm, die von "totaler Ignoranz" spricht. Mit Pühringer habe sie nicht vor zu sprechen, das habe im Moment keinen Sinn: "Aber die Frauen sollen wissen, wie ich das sehe. Ich nehme mir kein Blatt vor den Mund." Nach langen Jahren in der Politik habe sie eigentlich gedacht, "mich kann nichts mehr erschüttern". Jetzt sehe sie sich nach dem "ersten Schock" aber bestärkt und wolle umso mehr für die Umsetzung des Reißverschlusssystems bei der Listenerstellung kämpfen.

Auch rote Empörung

Die Abwahl Hummers sorgte am Donnerstag auch in SPÖ-Kreisen für Empörung: Frauenpolitik werde in der schwarz-blauen Koalition zu einem Randthema verkommen, erklärten Bundesfrauenvorsitzende und Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek sowie Bundesfrauengeschäftsführerin Andrea Brunner.

"Wieder einmal wird deutlich, dass Schwarz-Blau nicht nur Chaos, Hetze und Unfriede, sondern auch einen enormen Rückschritt in der Frauenpolitik bedeutet", so Heinisch-Hosek. "Schwarz-Blau vertritt die Interessen von Frauen nicht", notwendige frauenpolitische Impulse drohten zurückgedrängt zu werden. Schwarz-Blau dürfe daher im Bund keine Chance haben. Sie appellierte aber auch an die eigene Partei, dafür zu sorgen, dass die Geschlechterquote künftig in allen Gremien eingehalten werde.

Weiblicher Standby-Modus

Die oberösterreichische SPÖ-Frauenchefin Sabine Promberger bezeichnete die Landesregierung ohne einzige Frau als "Armutszeugnis für ÖVP und FPÖ". "Pühringer und Haimbuchner sehen Frauenpolitik nur als Randerscheinung im Standby-Modus", erklärte Promberger in einer Aussendung. Die Abwanderung der Frauenagenden zu einem Mann bedeute einen massiven Rückschritt in allen frauenpolitischen Bereichen. Promberger wies aber darauf hin, dass es bei diesem Thema auch in der Sozialdemokratie Luft nach oben gebe.

Ablinger: Einziges Bundesland ohne Frau in Regierung

Sonja Ablinger, die frühere SPÖ-Abgeordnete und heutige Frauenring-Vorsitzende, sprach in einer Aussendung von einem "erschreckenden Signal" im Jahr 2015: "Mit dieser Entscheidung macht die ÖVP klar, was ihr Frauenpolitik beziehungsweise Geschlechterdemokratie bedeutet: nämlich gar nichts." Oberösterreich sei damit das einzige Bundesland, in dessen Landesregierung keine Frau vertreten sei, obwohl die Mehrheit der oberösterreichischen Wähler Frauen sein. "Keine Partei sollte einen solchen Ausschluss von Frauen aus politischen Ämtern akzeptieren", so Ablinger.

Grüner Grant wegen Männerbundes

Statt "jünger, weiblicher, moderner" gelte nun für die ÖVP-Riege in der Landesregierung das Motto "rückwärtsgewandt und männerbündisch": So reagierte Grünen-Chefin Eva Glawischnig in einer Aussendung. "Erstaunlich daran ist auch, dass all dies mit dem Segen von VP-Chef Mitterlehner erfolgt ist", so Glawischnig. Sie verwies darauf, dass von zehn Landesräten, die die Grünen österreichweit stellen, sechs Frauen sind. Sie erwähnte allerdings nicht, dass die Grünen in die Proporzregierung in Oberösterreich mit Rudolf Anschober ebenfalls einen Mann entsenden.

Landesregierung gesellt sich statistisch zu Türkei

Mit einer Frauenquote von null Prozent in der Landesregierung gesellt sich Oberösterreich übrigens statisch zur Türkei. Das ist nämlich im europäischen Vergleich jenes Land, in dem es die meisten rein männlichen Regionalregierungen gibt. EU-weit liegt der Frauenanteil in den Regionalregierungen laut Daten der Europäischen Kommission durchschnittlich bei 36 Prozent. Am höchsten ist dieser Anteil mit 48 Prozent wieder einmal im Musterschülerland Schweden, gefolgt von Finnland mit 46 Prozent.

ÖVP garantiert Frau bei Regierungsumbildung

Die ÖVP Oberösterreich garantiert, dass beim nächsten personellen Wechsel in der Landesregierung auf ÖVP-Seite eine Frau zum Zug kommt. Das teilte Landesgeschäftsführer Wolfgang Hattmannsdorfer mit. Zuvor war nur der scheidenden Landesrätin Doris Hummer das Nachrückrecht angeboten worden. "Uns ist klar, dass die jetzige Situation nicht unproblematisch ist", so Hattmannsdorfer.

Hattmanndorfer verwies darauf, dass die ÖVP-Landtagsfraktion eine Frauenquote von 38 Prozent aufweise und durch Wechsel während der Legislaturperiode 48 Prozent erreicht werden sollen. Dass in der Landesregierung keine Frau vertreten sei, sei aber ein Problem, das alle vier Parteien in der Konzentrationsregierung betreffe.

McDonald kritisiert und verteidigt Hummer-Rauswurf

Der neue ÖVP-Generalsekretär Peter McDonald hat den Rauswurf von Hummer aus der oberösterreichischen Landesregierung kritisiert und gleichzeitig verteidigt. "Das Ergebnis entspricht nicht dem Bild, das wir selbst von uns als ÖVP haben und wie wir es vermitteln wollen. Daher ist es umso wichtiger, dass dies allen auch intern bewusst ist", sagte McDonald.

Gleichzeitig betonte er aber, dass Personalentscheidungen in einem Bundesland Angelegenheit dieses Bundeslandes seien und der Landesparteivorstand statutenkonform in geheimer Abstimmung die Nominierungen der für die Sitze in der Landesregierung vorgenommen habe. "Auch (parteiinterne) demokratische Wahlen bringen nicht immer politisch wünschenswerte Ergebnisse", erklärt er.

Auch Katholische Aktion ist irritiert

Auch die Katholische Aktion der Diözese Linz hat sich überraschend scharf zur Tagespolitik in Oberösterreich zu Wort gemeldet. Die Tatsache, dass keine einzige Frau der neuen Landesregierung angehören wird, sei ein "äußerst bedenkliches Signal" und eine "Provokation für sehr viele Frauen in unserem Land", so Präsident Bert Brandstetter in einer Aussendung. Natürlich müsse die Politik bemüht sein, die besten Kräfte eines Landes in der Regierung zu bündeln. Dass in Oberösterreich dafür aber ausschließlich Männer infrage zu kommen scheinen, werfe ein "bedenkliches Bild auf das Frauenverständnis der Parteiverantwortlichen". (APA, 22.10.2015)