Ida Lupinos letzter und einziger Kinospielfilm in Farbe: In "The Trouble with Angels" (1966) landen zwei Mädchen im Kloster und bei Rosalind Russell als Mutter Oberin.

Foto: Viennale

Ida Lupino, Regisseurin, Schauspielerin, Produzentin.

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Während sich die meisten Hollywood-Schauspielerinnen am Set zu Tode langweilten, nutzte Ida Lupino die endlose Warterei damit, die Arbeit von Regie und Kamera zu beobachten. Sie hatte die besten Lehrer: Regisseure wie Allan Dwan, Henry Hathaway, Raoul Walsh, Nicholas Ray und Charles Vidor. Lupino, die 1933 von England in die USA übersiedelte und bald als Spezialistin für die Verkörperung von Schurkinnen, Gangsterbräuten und Neurotikerinnen galt, nannte sich selbst zwar "poor man's Bette Davis", war aber kaum weniger wählerisch als ihre Kollegin. Als sie von Warner Bros. nach einer abgelehnten Rolle suspendiert wurde, setzte sie ihr selbstorganisiertes Filmstudium fort, arbeitete sich ins Handwerk ein und schrieb Drehbücher.

Für Lupino begann ein neues Kapitel: an den Rändern von Hollywood und in einer Multifunktion als Regisseurin, Produzentin, Autorin und Schauspielerin. Mit ihrem damaligen Mann, dem Produzenten Collier Young, gründete sie die Produktionsfirma Emerald Productions, aus der 1949 The Filmakers wurde. In nur sieben Jahren produzierte Filmakers zehn Filme, von denen Lupino bei fünf Regie führte. Als die Produktionsgesellschaft 1953 am Ende war, fand sie im Fernsehen ein neues Arbeitsfeld. Heute ist Lupinos Beitrag als bedeutende Autorin des B-Movie-Kinos weitgehend vergessen, und man erinnert sich an sie hauptsächlich als Partnerin von Humphrey Bogart in Raoul Walshs High Sierra.

Für eine Frau war im Hollywood der 1950er-Jahre das Regiefach absolut nicht vorgesehen, mochte es auch einige wenige Vorläuferinnen wie etwa Dorothy Arzner geben. Womöglich wurde deshalb Lupinos radikaler, ja unerhörter Schritt in eine schöne Zufallsgeschichte gekleidet: Bei der ersten Filmakers-Produktion Not Wanted (1949), einem Drama über ein schwangeres Mädchen, sprang sie kurzfristig ein, als der Regisseur Elmer Clifton nach wenigen Drehtagen schwer erkrankte – angeblich aus Kostengründen. Ihr Name wird in den Regiecredits zwar nicht genannt, doch Lupinos Signatur ist bereits hier deutlich sichtbar: ein empathischer Blick für Figuren im gesellschaftlichen Abseits, verbunden mit einem leicht appellativen Tonfall, eine Mischung aus einem eher trockenen Realismus und dem exzessiven Vokabular des Melodrams; eine Signatur, die von einem Faible für Noir-Atmosphären auch bei sozialkritischen Stoffen kündet.

Angeschlagene Männlichkeit

Die Filme der Filmakers waren für ihre realitätsnahe, sozialdramatische Ausrichtung bekannt: ungewollte Schwangerschaft, Bigamie, Vergewaltigung – Themen, die den großen Studios zu heiß waren. Auch ihr dokumentarischer Look, Ergebnis knapper Budgets und kurzer Drehzeiten, setzte sie von den Produktionen der Industrie ab.

Lupino drehte auf den Straßen von Los Angeles, in der kalifornischen Wüste, in einem Rehabilitationszentrum. Mit Never Fear (1949) realisierte sie ihre erste Regiearbeit unter eigenem Namen – ein Film über Liebe, Hoffnung und Körperarbeit, in dem sie ihre Polio-Erkrankung als Teenager verarbeitete.

Es folgten Outrage (1950), die mit großem Einfühlungsvermögen erzählte Geschichte eines Vergewaltigungsopfers, und das Sportdrama Hard, Fast and Beautiful (1951). Erneut stehen Frauenfiguren im Zentrum. Wenn es zu diesem Zeitpunkt vielleicht naheliegen mochte, Lupino eine besondere, spezifisch "weibliche" Sensibilität in der Gestaltung und Inszenierung von Frauenfiguren nachzusagen, brachte "Mother", wie sie von ihren Crewmitgliedern oft genannt wurde, mit ihrem nächsten Werk diese Einschätzung zum Kippen.

"This is the true story of a man and a gun and a car", heißt es in der einleitenden Texttafel von The Hitch-Hiker (1953), einem reinen Männerfilm. Der finstere Krimi um einen psychopathischen Killer besticht durch sein kontrastreiches Lichtkonzept und seine Reduktion. Mann, Auto und Knarre tauchen im Film als eine zyklisch wiederkehrende bildmotivische Reihung auf. Erst als Gefährt und Waffe versagen, bricht auch der Mann aus der Kette. Auf hintergründige Weise zeichnet Lupino mit den Figuren zweier gekidnappter Ehemänner ein angeschlagenes Bild von Männlichkeit – ein Thema, das in The Bigamist (1953) in den Vordergrund rückt.

Bigamie ist nicht unbedingt ein typisches Verbrechen des Film noir, und doch folgt Lupino in diesem Film auf den ersten Blick ganz den Mustern des Genres, um sie an den entscheidenden Stellen neu zu akzentuieren: An die Stelle der hartgesottenen Noir-Figur platziert Lupino einen soften, passiven Mann in der Krise. Seine Ehefrau braucht ihn nicht, sie geht selbst arbeiten, und sie mag ihren Job.

Man kann in diesem Film, in dem sich Lupino das einzige Mal selbst inszenierte (als Ehefrau Nummer zwei), sicherlich auch Facetten ihrer eigenen Situation gespiegelt finden. (Esther Buss, 21.10.2015)