Wien – Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser (SPÖ) will die Krankenkassen finanziell entlasten und die Pharmaunternehmen per Gesetz zu Zwangsrabatten verpflichten. Die Pharmaindustrie macht bereits gegen den Plan mobil. DER STANDARD hat sich angesehen, was hinter dem Streit steckt. Die wichtigsten Fragen im Überblick:

Frage: Warum möchte das Gesundheitsministerium per Gesetz Zwangsrabatte von den Pharmaunternehmen einheben?

Antwort: Ein Vertrag mit der Pharmawirtschaft über einen freiwilligen Solidarbeitrag (rund 18 Millionen Euro pro Jahr) läuft mit Ende 2015 aus, in Verhandlungen konnten sich der Verband der pharmazeutischen Industrie (Pharmig) und die Krankenkassen bisher nicht auf einen neuen einigen. Daher greift man nun zu einer gesetzlichen Regelung. Argumentiert wird im Ministerium vor allem mit den zuletzt stark gestiegenen Kosten der Krankenkassen für Medikamente. Während die Steigerungsraten in den vergangenen Jahren immer rund zwei Prozent pro Jahr betrugen, sind die Medikamentenpreise im zweiten Halbjahr 2014 um acht Prozent gestiegen. Vor allem die Ausgaben für hochpreisige Arzneien (jene, die mehr als 700 Euro kosten) sind explodiert – hier gab es zwischen 2009 und 2014 eine Steigerung um 104,06 Prozent.

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Wegen der steigenden Medikamentenkosten in der jüngeren Vergangenheit möchte das Ministerium gesetzliche Rabatte verordnen.
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Frage: Um welche Dimensionen geht es beim Zwangsrabatt?

Antwort: Für die Jahre 2017 bis 2019 sollen die Unternehmen je 125 Millionen Euro abliefern – also insgesamt 375 Millionen Euro. Die Zwangsrabatte fallen je nach Medikamentengruppe unterschiedlich aus. Auf Arzneien, die unter den sogenannten "grünen Bereich" fallen (sie sind frei verschreibbar), werden nachträglich drei Prozent Rabatt verrechnet. Bei Medikamenten im gelben und roten Bereich (die Krankenkassen übernehmen die Kosten nur bei Vorliegen einer chefärztlichen Bewilligung) werden sieben Prozent fällig. Für alle Medikamente, für die es keine vertragliche Regelung mit den Krankenkassen gibt (sie werden nur in begründeten Einzelfällen bezahlt) werden 15 Prozent Rabatt per Gesetz verlangt. Unter diese Gruppe fallen viele hochpreisige Medikamente.

Frage: Bricht jetzt der Kommunismus im Gesundheitssystem aus?

Antwort: Der Generalsekretär der Pharmig, Jan Oliver Huber, spricht von einer "ungeheuren Attacke gegen die soziale Marktwirtschaft", er warnt vor Jobabbau, einer schlechteren Versorgung der Patienten und zurückgehenden Investitionen. Ganz neu sind Zwangsrabatte im Gesundheitswesen freilich nicht. Auch zwischen 2004 und 2006 gab es eine gesetzliche Regelung. Andere EU-Länder kennen gesetzliche Rabatte ebenfalls. In Deutschland lag der Zwangsrabatt zwischen 2010 und 2014 sogar bei 16 Prozent (nun sind es sieben Prozent). Die Pharmig argumentiert aber, dass es in Deutschland eine komplett freie Preisbildung gebe, in Österreich dürfen Medikamente im Erstattungskodex der Krankenkassen nur maximal den durchschnittlichen EU-Preis kosten.

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Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser (SPÖ) sorgt mit ihrem Gesetzesentwurf für massiven Unmut bei der Pharmig.
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Frage: Würde der Gesetzesentwurf vor dem Verfassungsgerichtshof halten?

Antwort: Das ist natürlich schwer zu prognostizieren. Fakt ist: Das Gesetz vor gut zehn Jahren wurde vom Höchstgericht bestätigt. Damals ging es aber "nur" um einen Zwangsrabatt von zwei Prozent. Wirtschaftskammer-Vertreterin Sylvia Hofinger ist daher überzeugt, dass die jetzigen Rabatte von bis zu 15 Prozent ein "nicht verhältnismäßiger" Eingriff in das Recht auf Eigentum seien. Nächste Woche soll dazu ein eigenes Gutachten vorgelegt werden. Der Sektionschef im Gesundheitsministerium, Clemens Auer, kontert: Die Verhältnismäßigkeit sei gegeben, weil man auf die unterschiedlichen Medikamentengruppen Rücksicht nehme. Hohe Rabatte würden eben bewusst nur für hochpreisige Medikamente fällig.

Frage: Lässt sich das Gesetz noch verhindern?

Antwort: Ja, Sektionschef Auer sagt klar: "Wenn sich Industrie und Hauptverband doch noch auf eine vertragliche Lösung einigen, wird das Gesetz nicht in den Nationalrat eingebracht." Er will den Gesetzesentwurf also als "Druckmittel" für diese Verhandlungen verstanden wissen.

Frage: Aber ist es noch realistisch, dass es zu einer Einigung kommt?

Antwort: So unwahrscheinlich ist das nicht. Robin Rumler, Präsident der Pharmig, räumt selbst ein, dass man für 2016 einen freiwilligen Solidarbeitrag von 100 Millionen Euro angeboten habe. Informell ist auch zu hören, dass sich Hauptverband und Pharmig bereits weitgehend einig waren, freiwillig 125 Millionen beizusteuern (also dieselbe Summe, die jetzt gesetzlich verordnet werden soll). Allerdings soll sich die Arbeitgeberseite nicht ganz einig sein, die Unternehmen in der Wirtschaftskammer haben sich laut Verhandlern gegen den Deal ausgesprochen. (Günther Oswald, 21.10.2015)