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Erneut machten sich Flüchtlinge zu Fuß auf den Weg Richtung Norden.

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Flüchtlinge warten auf eine Möglichkeiten, weiterzukommen.

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2.000 Flüchtlinge kamen Mittwochfrüh in Spielfeld an, rund 1.500 davon machten sich auf eigene Faust auf nach Norden.

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Auf der österreichischen Seite.

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Flüchtlinge nahe der serbisch-kroatischen Grenze bei Berkasovo.

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Wien/Spielfeld – Am südsteirischen Grenzübergang Spielfeld ist das Erstversorgungszentrum voll. Donnerstagfrüh befanden sich dort laut Polizeisprecher Fritz Grundnig mehr als 2.000 Flüchtlinge. In der Früh musste die Polizei die Absperrungen aus Sicherheitsgründen öffnen, weil die Menschen dagegendrängten. "Verletzungen sollen vermieden werden", so Grundnig. Der Weitertransport ist bereits angelaufen, dennoch habe sich die Lage nicht entspannt. Seit den Abendstunden war die Stimmung laut Rotem Kreuz "aufgeheizt".

Einzelne Gruppen, die in der Nacht zu Fuß über den Bahndamm der Bahnstrecke von Šentilj nach Spielfeld nach Österreich unterwegs waren, wurden von der Polizei abgefangen und in die Sammelstelle in Spielfeld gebracht. Im Lauf des Tages sollen dort zwei weitere Zelte aufgestellt werden, die zusätzlich mehr als 1.000 Personen Platz bieten sollen.

Erhöhte Vorsicht

Die Zugstrecke Sentilj–Spielfeld–Leibnitz wurde am Vormittag eingestellt und ein Schienenersatzverkehr eingerichtet. Auf den Straßen in der Südsteiermark mussten Autofahrer immer wieder mit Flüchtlingen rechnen, daher sei erhöhte Vorsicht geboten, so die Einsatzkräfte.

Die APA berichtete, dass hunderte Flüchtlinge auf der B67, der Grazer Straße, herumirrten. Sie riefen "We want to go Germany" und fragten, wie weit es sei und wie lange man dafür brauche. Immer wieder kamen auch Taxis mit Grazer Kennzeichen, die sie als Kunden mitnahmen. Um sie bildeten sich regelmäßig Menschentrauben. Die Polizei sei aber besser als am Mittwoch vorbereitet gewesen. Die Flüchtlinge wurden schon nach wenigen hundert Metern bei einem Kreisverkehr zum Umkehren aufgefordert.

In Bad Radkersburg war die Lage hingegen ruhig. Dort hielten sich am Vormittag rund 500 Flüchtlinge, sie sollten bald mit Bussen in Notquartiere gebracht werden.

Schützenhöfer für mehr Soldaten und Polizei an Grenze

Der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP) fand Mittwochabend scharfe Worte angesichts der Flüchtlingssituation an der südsteirischen Grenze: "Das Sichern der Grenzen ist Kernaufgabe des Staates. Als Landeshauptmann der Steiermark kann ich nicht zusehen, dass tausende Menschen unsere Bemühungen um Ordnung missachten und Absperrungen durchbrechen. Die Angelegenheit hat ein Ausmaß angenommen, dem wir nicht mehr Herr sind." Er forderte von der Bundesregierung den verstärkten Einsatz von Bundesheer und Polizei an der steirisch-slowenischen Grenze. Am Donnerstag machte sich der Landeshauptmann ein Bild von der Lage in Spielfeld und bezeichnete sie als "unannehmbar".

Das Land teilte am Donnerstag mit, dass die traditionelle Flaggenparade der Einsatzorganisationen anlässlich des Nationalfeiertags wegen der Flüchtlingssituation abgesagt worden sei.

2.000 Planstellen

Zur besseren Bewältigung der Flüchtlingssituation will Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) ab kommendem Jahr 1.500 bis 2.000 Planstellen für die Polizei. "Unsere Polizistinnen und Polizisten brauchen eine dauerhafte Verstärkung. Sie leisten enorme Arbeit und bewegen sich seit Wochen an der Belastungsgrenze", sagte Mikl-Leitner der "Kronen Zeitung" zufolge. Das Innenministerium bestätigte den Bericht. Im September wurden von den Beamten mehr als 420.000 Einsatzstunden geleistet. Davon waren fast die Hälfte Überstunden, hieß es aus dem Innenministerium.

Das Bundeskanzleramt zeigt sich bezüglich der Forderung nach zusätzlichen Planstellen offen: "Wir sind in laufenden Gesprächen mit dem Innenministerium. Wir haben in Personalfragen schon bisher stets Unterstützung geleistet, entsprechend des aktuellen Bedarfs", erklärte Staatssekretärin Sonja Steßl (SPÖ).

Steßl verwies in einer Stellungnahme auch darauf, dass das Innenministerium heuer bereits 250 zusätzliche Polizisten genehmigt bekommen hat. Auch für die Jahre 2016 bis 2018 sind jeweils 250 zusätzliche Stellen vorgesehen, die auch im Budgetrahmen berücksichtigt sind. Damit werden, so wie auch bereits in der vorhergehenden Legislaturperiode, erneut um 1.000 Polizisten mehr in den Dienst gestellt.

Für die Steiermark kündigte Mikl-Leitner darüber hinaus eine Aufstockung auf über 700 Beamte an. Die Polizei tue alles, um die Situation unter Kontrolle zu halten, reagierte sie auf Schützenhöfers Kritik. Ohne eine Außengrenzkontrolle und funktionierende Hotspots in Griechenland "werden wir aber der Lage nicht Herr".

Zu Fuß Richtung Norden

Am Mittwoch war es in der Sammelstelle für aus Slowenien ankommende Flüchtlinge zu chaotischen Szenen gekommen. Gegen Mittag hatten sich mehr als 1.500 Menschen selbstständig zu Fuß auf den Weg Richtung Norden gemacht. Laut Polizei ist ein Großteil zurückgekehrt, der Rest sei je nach Schritttempo bisher bis Leibnitz oder weiter gekommen, erklärte die Polizei am Abend.

Der Zustrom aus Slowenien war Mittwochabend laut Rotem Kreuz weiter ungebrochen. Rund 3.000 Flüchtlinge mussten am Abend von den Helfern betreut und versorgt werden. Zwei weitere beheizbare Großzelte sollen am Donnerstag fertig werden, womit dann zumindest 2.400 Menschen ein provisorisches Dach an der Sammelstelle über dem Kopf haben, erklärten die Einsatzkräfte.

Situation entspannt

Klaus Steinwendter, Einsatzleiter des Roten Kreuzes in der Sammelstelle, sagte am Abend der APA, dass die Situation angespannt sei und "nicht mehr weit von einem neuerlichen Durchbruch der Flüchtlinge entfernt". Die Stimmung sei "schon sehr aufgeheizt", immer wieder sei Geschrei zu hören. Viele warteten schon seit Stunden auf Busse, die sie in Notquartiere und Richtung Deutschland weiterbringen.

Gegen Mittag hatte das Warten etwa 1.500 Menschen zu lange gedauert. Sie verloren die Geduld und durchbrachen eine Absperrung. Eine falsche Information könnte dazu geführt haben: Manche Flüchtlinge dachten offenbar, dass die deutsche Grenze nicht mehr weit entfernt ist, schilderte Polizeisprecher Grundnig. Als sie nach einigen Kilometern merkten, dass es noch hunderte Kilometer bis zur Staatsgrenze sind, kehrten viele wieder um. Daher trudelten am Nachmittag sowohl von Norden als auch von Süden kommend Menschen in der Sammelstelle ein.

Laut Steinwendter gibt es bei der Versorgung der Flüchtlinge mit Essen und Getränken bisher keine Engpässe, doch eine Kleiderspenden-Ausgabe sei derzeit nicht auch noch bewältigbar – "vielleicht mit den neuen Zelten und weiteren Leuten". Für die Polizei war es am Abend nur noch schwer feststellbar, wie viele der 1.500 Menschen tatsächlich noch zu Fuß in Richtung Deutschland unterwegs waren. Da manche schneller und manche langsamer gingen, habe sich der Konvoi in die Länge gezogen.

Wie viele Menschen bis Mittwochabend insgesamt über die Grenze aus Slowenien angekommen waren, ließ sich wegen der ungeordneten Verhältnisse schwer schätzen. Gegen 10 Uhr waren jedenfalls etwa 2.000 auf einmal gekommen und hatten die Einsatzkräfte bereits an die Grenze des Machbaren gebracht. Am Abend trafen immer wieder weitere Menschen in kleineren Gruppen bei der Sammelstelle ein.

Zweiter Transitort vorgeschlagen

Um die Situation in Spielfeld besser kontrollieren zu können, will Slowenien mit Österreich einen weiteren Grenzort vereinbaren, an dem Flüchtlinge nach Österreich kommen können, sagte der Staatssekretär im slowenischen Innenministerium, Boštjan Šefic am Mittwoch.

Wo dieser Ort sein könnte, wollte er vorerst nicht sagen. Slowenien würde das Thema bei dem am Mittwoch in Wien stattfindenden Treffen der Polizeichefs der beiden Länder sowie Ungarns und Kroatiens ansprechen. Ein weiterer Ausgangspunkt würde die überfüllte Flüchtlingsunterkunft in Šentilj entlasten, hieß es.

Neben der Steiermark, wo die Flüchtlinge derzeit vor allem in Spielfeld, vereinzelt auch in Bad Radkersburg ankommen, grenzt Slowenien auch an Kärnten und das Burgenland. In der ans Burgenland grenzenden Region Prekmurje befindet sich bereits eine Flüchtlingsunterkunft in Lendava mit einer Aufnahmekapazität von rund 600 Menschen.

In der aktuellen Flüchtlingskrise ist das Zeltlager in Šentilj, das für rund 2.000 Menschen angelegt ist, einer der beiden am meisten belasteten Punkte in Slowenien. Zweiter Brennpunkt ist das am Mittwoch bei einem Brand großteils zerstörte Zeltlager in Brežice im Südosten des Landes. In den beiden zeitweise völlig überfüllten Zentren kam es bereits am Dienstag zu Tumulten. Mehr zur Situation auf dem Balkan finden Sie in dem Artikel "Slowenien: Brennende Zelte und überforderte Behörden". (APA, red, 22.10.2015)