STANDARD: Was ist die Position Russlands, wenn es um die Verlängerung des Mandats für die Eufor geht, die in der Sitzung des Sicherheitsrats Anfang November behandelt wird?

Peter Iwanzow: Wir haben das exekutive Mandat der Eufor seit 2004 unterstützt. Die einzige Ausnahme war im letzten Jahr, als wir uns der Stimme enthalten haben. Wir glauben, dass die Eufor noch immer eine Rolle zu spielen hat, und wir haben absolut nichts gegen das Mandat. Wenn man den exekutiven Teil der Resolution betrachtet, so besteht er aus drei Paragrafen. Der Rest beschäftigt sich mit der euroatlantischen Perspektive von Bosnien und Herzegowina und dem Amt des Hohen Repräsentanten. Das sind Fragen, die nach unseren Vorstellungen für das Mandat der Eufor nicht relevant sind. Der gleiche Text liegt seit elf Jahren auf dem Tisch. Aber die Umstände haben sich geändert. Wir haben eine andere Beziehung zur Nato und in gewissem Sinne zur EU.

STANDARD: Und das hat nichts mit Bosnien-Herzegowina zu tun?

Iwanzow: Die euroatlantische Perspektive von Bosnien-Herzegowina ist nicht unsere Perspektive. Es ist etwas, woran die westeuropäischen Staaten gerade arbeiten. Aber wir glauben, dass Bosnien eine breitere Perspektive als die EU und die Nato hat.

STANDARD: Würden Sie gegen die Integration Bosniens in die EU stimmen?

Iwanzow: Das liegt an Bosnien, ob es Teil Europas werden will oder nicht.

STANDARD: Werden Sie also vorschlagen, dass es das Eufor-Mandat auch weiterhin geben soll, jedoch ohne die euroatlantische Perspektive?

Iwanzow: Das ist genau das, was wir sagen werden. Wir werden sagen, dass es eine kurze Resolution, vielleicht mit einem Verweis auf das Dayton-Abkommen, geben wird, da heuer der 20. Jahrestag ist. Es ist einfach eine Hommage an die gemeinsame Achtung des Abkommens.

STANDARD: Wenn es keinen Konsens im Sicherheitsrat gibt, würden Sie dann ein Veto einlegen oder sich enthalten?

Iwanzow: Sorry, ich kann nicht die Abstimmung vorwegnehmen.

STANDARD: Welche rechtlichen Folgen würde das Referendum über die gesamtstaatliche Justiz in der Republika Srpska haben?

Iwanzow: Unsere Position ist breiter. Die Frage ist nicht legalistisch, sondern natürlich politisch und spiegelt die Haltung von einem Drittel der Bevölkerung von Bosnien und Herzegowina wider. Das Referendum wurde von allen serbischen Parteien in der RS unterstützt. Die Opposition hat sich der Stimme enthalten. Das Thema ist breiter als eine einfache Entscheidung, ob es verfassungsgemäß ist. Die Leute in der RS glauben, dass es gegen sie Vorurteile gibt. Und sie haben Grund, dies zu glauben. Die RS hat an die Uno und die wichtigsten Hauptstädte einen Brief geschickt. Dieser besagt, dass rund 7.500 serbische Zivilisten während des Konflikts getötet wurden. Nur in zehn Fällen wurde ein Urteil gesprochen. Es gibt also Grund, deshalb besorgt und unzufrieden zu sein. Referenden gelten als demokratischer Weg, über das Denken der Menschen zu lernen. Und in diesem Sinne sehe ich keine Probleme damit. Übrigens muss ein Referendum nicht unbedingt exekutive Auswirkungen haben. Der Präsident der RS, Herr Dodik, sagte klar, dass er von der Volksabstimmung Abstand nehmen wird, wenn die gegenwärtige Situation korrigiert wird.

STANDARD: Das Problem ist, dass es keine Berufungsinstanz in der Justiz auf Staatsebene gibt. Wie kann man die Justiz reformieren?

Iwanzow: In gewissem Sinne trägt der Hohe Repräsentant einen Teil der Schuld. Die Entscheidung, die zentrale Justiz und Staatsanwaltschaft zu schaffen, war seine Entscheidung. Es gab dazu eine Erklärung des Verfassungsgerichts. Aber die Richter von der serbischen und der kroatischen Bevölkerung waren dagegen, und die Bosniaken und natürlich die drei internationalen Richter haben die Entscheidung des Hohen Repräsentanten unterstützt. Es ist ein wenig seltsam, dass eine Entscheidung, die die Menschen eines souveränen Staates betrifft, von jemand anderem gemacht wird.

STANDARD: Es geht um die Frage, ob es eine Justiz auf Staatsebene geben soll.

Iwanzow: Wenn man sich Dodiks Aussage anhört, sagt er nicht, dass es keine solche Justiz geben soll, aber dass sie anders funktionieren soll. Er sagt, man sollte sich nicht in das einmischen, was nur in den Entitäten entschieden werden kann.

STANDARD: Manche sagen, dass dieses Referendum nur eine Generalprobe für ein Referendum über die Unabhängigkeit der RS ist.

Iwanzow: Wir sollten eine Unterscheidung zwischen der offiziellen Position einer staatlichen Institution und einer der politischen Parteien machen. Und das gilt nicht nur für die SNSD (Dodiks Partei, Anm.) und die Republika Srpska. Die SDA will auch die Verfassung ändern, um die beiden Entitäten abzuschaffen. Entspricht dies dem Abkommen von Dayton? Wenn Sie die HDZ anschauen, so wollen sie ein Gebiet für das kroatische Volk schaffen. Das wandelt sich nicht automatisch in Fakten um.

STANDARD: Es gibt seit Jahren Gespräche über die Schließung des Amtes des Hohen Repräsentanten. Viele Staaten sind dafür. Die USA sind dagegen. Was denken Sie?

Iwanzow: Bereits im Jahr 2006 hat der Lenkungsausschuss des Friedensimplementierungsrats die Entscheidung getroffen, das Büro im Jahr 2007 zu schließen. Dann sind zusätzliche Bedingungen erschienen. Und Valentin Inzko ist immer noch hier. Übrigens habe ich sehr gute Beziehungen zu ihm. Bosnien ist aber ein souveräner Staat. Warum sollte es einen Lordprotektor haben? Ich glaube nicht, dass ein Land Mitglied der EU werden kann, wenn es nicht durch die gewählten Institutionen, sondern von jemandem von außen gelenkt wird. Daher glauben wir, dass diese Position abgeschafft werden muss. Eine Menge von dem, was der Hohe Repräsentant in diesen Tagen tut, ist im Wesentlichen Mikromanagement. Es ist gut, dass die Bonner Befugnisse seit 2011 nicht verwendet wurden. Als sie verwendet wurden, brachten sie nur zusätzliche Probleme statt Lösungen. Es gibt also keinen Grund für ihn zu bleiben.

STANDARD: Es gibt keine Möglichkeit, dass das Büro, solange die USA dagegen sind, aufgelöst wird. Es sieht so aus, als würde er für immer hier in Bosnien-Herzegowina bleiben.

Iwanzow: Es ist eine einfache Entscheidung des Lenkungsausschusses der Mitglieder des Friedensimplementierungsrats.

STANDARD: Aber dort gibt es keinen Konsens.

Iwanzow: Sie haben völlig recht. Technisch ist es nicht möglich. Aber es wäre ein guter Weg, um den 20. Jahrestag von Dayton zu feiern. (Adelheid Wölfl aus Sarajevo, 20.10.2015)