Berlin/Ankara – Die türkische Regierung hat eine Grundsatzvereinbarung mit der EU in der Flüchtlingsfrage dementiert. Es gebe bisher lediglich einen Entwurf, über den gesprochen werde, sagte Außenminister Feridun Sinirlioglu am Freitag vor Journalisten in Ankara. Die von der EU bisher angebotene Finanzhilfe sei zu niedrig und "inakzeptabel", sagte der Minister.

Auch der Sprecher der Regierungspartei AKP, Ömer Celik, sagte, die Verhandlungen zwischen der EU und der Türkei gingen weiter. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hatte nach dem EU-Gipfel von Brüssel erklärt, die Einigung mit der Türkei sehe vor, dass Ankara im Gegenzug für schärfere Grenzkontrollen beschleunigte Verhandlungen über Visa-Erleichterungen und einen EU-Beitritt sowie milliardenschwere Unterstützung erhalte.

Deutschland: "Noch viel Arbeit"

Zuvor hatte die deutsche Regierung Hoffnungen auf eine schnelle Einigung mit der Türkei über Maßnahmen zum Kampf gegen die Flüchtlingskrise gedämpft. Es stehe noch sehr viel Arbeit bevor, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Freitag in Berlin. Es handle sich zwar um eine gute Gesprächsgrundlage. Niemand sollte aber kurzfristige Wirkungen erwarten.

Auch der Sprecher der in der Türkei regierenden AK-Partei, Ömer Celik, sagte in Istanbul, es sei noch nichts beschlossen worden. Die Gespräche würden fortgesetzt. Fortschritte bei den EU-Beitrittsverhandlungen dürften außerdem nicht das Ergebnis von "politischer Bestechung" sein. Auch Finanzminister Mehmet Simsek sagte, es sei unklar, ob die drei Milliarden Euro, die im Gespräch seien, tatsächlich gezahlt würden.

Die Staats- und Regierungschefs der EU hatten in der Nacht zum Freitag vereinbart, der Regierung in Ankara Milliardenhilfen, Reiseerleichterungen und eine Ausweitung der Beitrittsverhandlungen anzubieten. Im Gegenzug soll die Türkei syrische Flüchtlinge besser unterbringen und die Grenze zu Griechenland besser schützen. Kanzlerin Angela Merkel reist am Sonntag in die Türkei, um über die Krise zu beraten. Über das Land gelangen die meisten Flüchtlinge nach Deutschland.

EU-Mitglieder geizen mit Geld

Der Appell von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker an die Mitgliedstaaten, massiv Gelder für die Bekämpfung von Fluchtursachen bereitzustellen, hat indes bisher kaum gefruchtet. Juncker konnte bei einer Präsentation beim EU-Gipfel am Donnerstagabend nur 155 Millionen Euro an neuen Finanzzusagen vermelden, wie aus einer am Freitag veröffentlichten Aufstellung der Kommission hervorgeht.

Die von Juncker angegebene "Finanzierungslücke" schrumpfte damit nur geringfügig auf 2,35 Milliarden Euro. Der Luxemburger Ex-Regierungschef hatte den Mitgliedstaaten vor dem Gipfel vorgeworfen, bei der Finanzierung des Vorgehens gegen Fluchtursachen weit hinter ihren Versprechen geblieben zu sein. Die Kommission geht dabei davon aus, dass die EU-Länder einen von ihr zugesagten Betrag von 2,8 Milliarden Euro verdoppeln. Er verteilt sich auf drei Bereiche: einen Treuhandfonds für Syrien (500 Millionen Euro), einen weiteren für Afrika (1,8 Milliarden Euro) sowie Gelder zur Unterstützung des UN-Flüchtlingshilfswerks und des Welternährungsprogramms (500 Millionen Euro).

Nach Junckers Übersicht kamen von den Mitgliedstaaten jedoch bisher nur 18,3 Millionen für den Syrien-Fonds und 12,05 Millionen für Afrika. Relativ gut sieht es dagegen nun bei der Unterstützung der UN-Organisationen aus, die sich insbesondere um die Versorgung von Menschen in Flüchtlingslagern kümmern. Hier erreichten die Mitgliedstaaten mit 416,57 Millionen Euro immerhin mehr als 80 Prozent der geforderten Summe.

Ein Kommissionssprecher sagte am Freitag, nächste Etappe bei der Frage sei nun der EU-Sondergipfel mit afrikanischen Staaten in Malta im November. Beim Brüsseler Gipfel hätten die Mitgliedstaaten jedenfalls ihre Zusage bekräftigt, die EU-Beiträge in selber Höhe zu ergänzen. Allerdings findet sich in den Gipfelschlussfolgerungen nichts dazu. Dort heißt es lediglich, die EU-Länder wollten den UN-Hilfsorganisationen weitere Beiträge zur Verfügung stellen und den Syrien- und den Afrika-Fonds "unterstützen".

(APA, 16.10.2015)