Alexandra Lier: "The World’s Fastest Place", 39,90 Euro / 120 Seiten, Kehrer-Verlag 2015

Stefan Bogner: "Curves Frankreich", 15,- Euro / 256 Seiten, Curves-Magazin, München 2015

Michael Köckritz: "A Passion for Cars. Best of Ramp", 49,90 Euro / 224 S., teNeues-Verlag 2015

Rémi Dargegen: "Baillon Collection", 19,90 Euro / 144 Seiten, Delius-Klasing-Verlag 2015

Foto: Lukas Friesenbichler

Logbucheintragung 171015. Nachricht an die Kommandobrücke der Raumstation Mir-san-mir. Wir schreiben das Jahr 4711, Tag 08,15. Wir befinden uns an Bord des Traumschiffs Entenpreis auf dem Weg durch uns bekannte Galaxien, auf der Suche nach der Geschichte unserer zeitgemäß solarbetriebenen Gerätschaften der Mobilität. Die Zeitmaschine ist positioniert auf 2015. Stop.

Bonneville Salt Flats

Station Nummer 1: Planet Erde, die Wüste von Utah. Roter Sand wie zu Hause am Mars. Gespenstische Stille. Aus dem Nichts kristallisiert sich ein Buch. Ich nehme es zur Hand, blättere darin, tauche ein in die Welt der Bonneville Salt Flats. Jährlich finden dort Adrenalinjunkies und Abenteurer eine Heimat, um ihrer Passion zu frönen, dem Speed-rausch zu verfallen. Fotografin Alexandra Lier dokumentierte die bizarren Preziosen der Mobilität, die grotesken Vehikel, deren Protagonisten vor der Kulisse der archaischen Landschaft von World’s Fastest Place. Großes Kino.

Ich eile weiter zur zweiten Station: Landung in der kurvenreichen Serpentinenlandschaft Südfrankreichs. Wieder erscheint mir ein eindrucksvolles Buch. Endlose Horizonte. Die Route der Curves führte Stefan Bogner entlang 18 Gebirgspässen der Grandes Alpes von Martigny bis Nizza. Majestätische Perspektiven entlang der Cote d’Azur. Ehe ich die beigelegte Karte verinnerlichen kann, wird sie mir vom Wind Richtung Meer entrissen. Boxenstopp No. 3: Kurvenkunde der besonderen Art. Crazy. Ich gerate in eine Party. Das Magazin "ramp" feiert Jubiläum mit "Chromjuwelen und scharfen Kurven". Reminiszenzen an Barbarella und Lt. Uhura. Die "Meister des Avantgarde-Story-Telling" im Segment der Automagazine feiern imposante Bilderwelten als Jamsession. Michael Köckritz hegt A Passion for Cars. "In ramp ist das Auto Kultur, Teil unseres Lebens, das auch schon einmal zur Erweiterung des eigenen Ich werden kann. Berühren. Einsteigen. Fahren. Erleben. Leben. Intensiv." Nichts wie weg.

Zerplatzte Träume

4. Station: Château Gaillard. Unter einer dicken Staubschichte entdecke ich wieder ein Buch: Baillon Collection von Rémi Dargegen. Der Fotokünstler dokumentiert darin die Oldtimersammlung des Roger Baillon. Der Enthusiast wollte einst das größte Automobilmuseum gründen. Der Traum zerplatzte, die Raritäten landeten in einer Scheune. Die Liste der Klassiker, die dort jahrelang im französischen Échiré ruhten, enthält neben dem Ferrari 250 GT SWB California Spider von Alain Delon auch Exponate der Marken Maserati, Facel Vega Excellence, Hispano-Suiza, Bugatti, Talbot-Lago, Delahaye und Voisin. Da war sie also, die letzte Ruhestätte von echten Automobilen. Ein Mausoleum, kein Friedhof. Chromjuwelen, rostig, aber noch immer elegant und prächtig. Majestätisch. Wow!

5. Station. Gelandet inmitten einer Stadt. Historisches Ambiente. Prachtvolle Boulevards. "Wien ist anders" stand auf der Ortstafel . Aber wo? Mir wurde ganz anders. Ich fühlte mich wie der Silberne Surfer am Rande des Universums. Ortsunkundig suchte ich nach dem Zentrum. Der interstellare Navigator nannte mir eine exakt 150 Jahre alte Verkehrsader namens Ring. Über eine wie leergefegt wirkende Straße wirbelten Zeitungen. Ich griff danach, las von rücksichtslosen Radfahrern, arroganten Autofahrern, Unfällen mit Fußgängern. Das Kolportierte klang nach programmatischen Glaubensbekenntnissen. Unsachlich. Man polemisierte gegen eine Hü-Hott zur FuZo MaHü verunglimpfte ehemals imperiale Flaniermeile, die zu Knackpunkt und Stolperstein für Wahlkampfstrategen mutierte. Bizarr. Das Aviso eines "Flashmob Rettungsgasse" machte mir Angst. Dann las ich seitenweise Berichte über getürkte Abgasmessungen. Verflucht, was war das für eine Welt? Mir wurde klar, hier war keine Lösung zu finden. Höchstens die Erkenntnis, wie man die Umwelt systematisch zerstört. Ich brach die Expedition zum Planeten Erde sofort ab, packte besagte Bücher in meinen Tornister. Als Beweis des Vergangenen. Bevor Begegner und Gegnerinnen, die einander mit bunt bemalten Pflastersteinen und -steininnen auf der Begegnungszone begegneten, floh ich in meine interstellare Schutzzone. "Beam me up, Scotty!" (Gregor Auenhammer, 17.10.2015)