Felix Gonzalez-Torres schleuste 1991 privates, (homo)erotisches Begehren in den öffentlichen Raum eines Museums: "Untitled (Go-Go Dancing Platform)".

Foto: Andrea Rosen Gallery, New York, © The Felix Gonzalez-Torres Foundation

Wien – Fast wähnt man sich im Serienvorspann zu Fame, dem – freilich viel, viel besseren – Glee der 1980er-Jahre: Die Straßen New Yorks werden zur Bühne für Das-Glück-auf-der-Welt-zu-sein zelebrierende Girls-Next-Door, leichtfüßig über den Asphalt trippelnd, den Lockenkopf lachend in den Nacken werfend oder den neuesten Gossip in ein Telefon (mit Schnur!) sprudelnd. Die Welt ist ein Burger, hol ihn Dir, könnte die Botschaft lauten.

185.769 Dollar hat die Fastfoodkette diese (oder eine ähnliche) Kampagne gekostet. "Wir wollen die Welt zeigen, wie sie ist", also eher so "alle Ethnien", ließ man die Agentur im Zielgruppenwerbegeschwafel fürs Casting wissen. Auch dass man eher nicht so interessiert sei an rosawangig-frischgewaschenen Wohlstandskids.

Das in der Tradition des politisierten Avantgardekinos stehende Video Production Notes von Jason Simon über die Ideologie hinter den geleckten Medienproduktionen ist zwar vor 1990 entstanden, dennoch ist es ein gutes Beispiel für die Kunstpraktiken jener Zeit.

Es ging damals oft darum, die Rahmenbedingungen (künstlerischer) Bedeutungsproduktion zu beleuchten. Kunst wurde nachdenklich, (institutions)kritisch und entdeckte – nicht schon immer war man so global und mobil – das Medium Magazin für sich. Inzwischen existiert dafür das Wort Diskurskunst, nicht immer ist es schmeichelhaft gemeint.

Galeriefamilien und der Kosmos des Kunstbetriebs

to expose, to show, to demonstrate, to inform, to offer heißt jene Schau im Mumok, die nun die Kunst jener Jahre zu fassen sucht. Was ist das eigentlich für ein Betrieb, in dem ich da mitmische? Wie funktioniert der?, fragten sich Künstler. Wie komme ich in diese "Familie" rein – und wenn nötig wieder raus? Fareed Armaly machte den eingeschworenen Dunstkreis einer Galerie sichtbar, indem er die Namen und Adressen im Gästebuch transkribierte.

Wie sehr bleibe ich autonom, wie sehr korrumpieren mich Museum, Institution, Galerie – und Markt? Thomas Locher ritzte Fragen an die Kunst selbst –Verfolgt das einen Zweck? Ist das nicht undurchsichtig? – in Möbel.

Alles immer noch sehr aktuelle Fragen. Aber nicht nur mit den Antworten oder in der Umsetzung der Konsequenzen hapert es in der Gegenwart, ja, man fragt sich auch, ob seither, also nach Andrea Fraser, Fareed Armaly & Co, jemand anderer die Dinge so auf den Punkt – und in entsprechend überzeugende visuelle Formen – gebracht hat.

Rhetorik der Ab- und Ausgrenzung

Frasers Video May I Help You? in dem eine Schauspielerin als Galeriemitarbeiterin vor schwarzen Monochromen das Sublime der Kunst beschwört und so Rhetoriken und Ausschlussmechanismen des Betriebs entlarvt, ist ein Meilenstein von 1991. Performances mit aufklärerischer, fiktionalisierter Wallraff-Attitüde, fanden im Video das optimale Medium, so wie auch Artful History (Mark Dion, Jason Simon), eine Fake-Dokumentation, die einen Restaurator auspacken lässt über die Tricks, die den Wert der Ware Kunst steigern.

Nicht in Bewegtbilder, sondern in ein einziges Foto gepackt hat Louise Lawler Fragen der Inszenierung von Kunst und ihrer Auratisierung durch das Museum: How Many Pictures (1989) fängt nur die Spiegelung eines Frank-Stella-Bildes am blanken Parkett eines Ausstellungsraums ein. Clegg & Guttmann verfrachteten eine Ausstellung aus ihrem natürlichen Lebensraum unter eine Brücke; nur die Dokumentation der Aktion war später im Kunstraum zu sehen. Die Macht des Kontextes rückte so in den Fokus.

Auch im politischen Aids-Aktivismus waren Künstler wesentlich involviert. Geschlecht und Queerness werden Thema. Felix Gonzalez-Torrez ließ etwa einen Gogo-Tänzer im Museum auftreten und verwandelte den öffentlichen so in einem privaten Raum schwulen Begehrens.

Freilich, die Schau gestaltet sich in weiten Teilen, insbesondere im Kapitel über Kunstmagazine, als dröge Lese- und Vitrinenstrecke, aber anderes vermittelt sich erstaunlich unmittelbar. Es ist eine Historisierung, die ein paar weichenstellende Jahre bündelt. Zwar passt der Epochengedanke nicht, dessen ist sich Kurator Matthias Michalka bewusst, aber trotzdem gewinnt etwas bisher nicht Greifbares Profil. (Anne Katrin Feßler, 15.10.2015)