Bild nicht mehr verfügbar.

Im Vorjahr demonstrierten noch nepalesische Kinder in den Wäldern des Landes für den Erhalt der Naturräume. Heuer zwingt die Not die Menschen zu zerstörerischen Maßnahmen.

Foto: EPA / Narendra Shrestha

Kathmandu – Zuerst waren es die Schmuggler, dann die Auswirkungen der verheerenden Erdbeben, und nun ist die Blockade an der Grenze zu Indien schuld am Verschwinden der Wälder Nepals. Rund 40 Prozent des mehr als 147.000 Quadratkilometer großen Binnenlands im Himalaya sind von Wäldern bedeckt, die zu einem Großteil der Gemeinschaft gehören.

Der Schutz der grünen Lunge des Landes ist innerhalb der Bevölkerung hoch angesiedelt. Deshalb versuchten die Nepalesen auch noch vor wenigen Jahren konsequent gegen den Schmuggel von Holz über die offene Grenze nach Indien vorzugehen. Dort sorgten strenge Gesetze dafür, dass die Bäume des Subkontinents nicht mehr so einfach abgeholzt werden durften. Die Folge: Es formierten sich illegale Netzwerke, die ganze Landstriche im Westen Nepals rodeten und den Rohstoff mit Traktoren und über den Wasserweg nach Indien schmuggelten.

Abholzung aus Verzweiflung

Doch nach dem ersten verheerenden Erdbeben im April dieses Jahres waren es die Nepalesen selbst, die aus Not den Schutz der Wälder lockern mussten. Nach Umsiedlungen von Erdbebenopfern aus ihren zerstörten Ortschaften in Waldgebiete und aufgrund des Bedarfs von Holz als Baustoff für Notunterkünfte mussten die Bewohner Nepals selbst die Bäume des Landes fällen. Und durch die bereits seit zwei Wochen andauernde Blockade an der sonst durchgängigen Grenze zu Indien – aus Protest gegen die neue Verfassung des Binnenstaats – können keine lebensnotwendigen Güter wie Medikamente oder Brennstoffe mehr importiert werden.

Der Wegfall von rund 700 Tonnen Kochgas, das täglich aus Indien eingeführt wurde, hat zur Folge, dass die Nepalesen nun wieder auf Brennholz zurückgreifen – um zu heizen oder zu kochen. "Genaue Zahlen über die Vernichtung des Waldes im Moment gibt es nicht", sagt Ratna Karki von der Organisation Rural Reconstruction Nepal, die auch von der österreichischen Dreikönigsaktion unterstützt wird. Laut Karki ist die Regierung, deren Premierminister erst am Sonntag gewählt wurde, machtlos gegenüber den Abholzungen.

Zwar wurden laut BBC in einem Bezirk 150 Fahrräder konfisziert, die zum illegalen Brennholzsammeln verwendet wurden, doch können auch die Einsatzfahrzeuge aufgrund der Treibstoffkrise nicht aufgetankt werden, um genauere Kontrollen durchzuführen.

Um künftig nicht mehr von Energieimporten abhängig zu sein, begann Nepal bereits im Vorjahr mit dem Bau eines 900-Megawatt-Staudamms am Karnali-Fluss. Der Bau soll bis 2021 abgeschlossen sein und ist aufgrund der Auswirkungen auf die Umwelt umstritten – zumal auch ein indisches Unternehmen den Zuschlag bekommen hat. Doch auch bis zur Fertigstellung des Damms möchte der Binnenstaat nicht mehr so abhängig von Indien sein wie bisher und überlegt Luftimporte aus Bangladesch oder Malaysia bzw. die Öffnung der seit dem Erdbeben verschütteten Route nach China.

In der Zwischenzeit bleibt aber nur das Holz als Rohstoff: Die BBC zitiert den Vorstand des Waldministeriums, wonach auch offizielle Holzreserven angezapft werden. Für sechs Wochen könne man die Hauptstadt Kathmandu versorgen. Die Blockade lichtet sich mittlerweile etwas, doch ein Ende der Importprobleme ist nicht absehbar. (Bianca Blei, 15.10.2015)