Gewiss, eine Fernsehdiskussion allein sagt noch nicht viel. Meist sind solche Runden ja schneller vergessen, als es die Sender, die sie ausrichten, wahrhaben mögen. Aber einen Schluss darf man nach der Debattenpremiere der demokratischen Kandidaten für die Wahl 2016 wohl ziehen: Im Augenblick gibt es keinen, der Hillary Clinton in diesem Format das Wasser reichen könnte.

Sie nach einer einzigen Vorstellung bereits zur Siegerin des Vorwahlmarathons auszurufen, wäre sicher töricht. Nicht zu vergessen: Auch Barack Obama hatte in einer vergleichbaren Phase des Ausscheids das Nachsehen gegenüber der Favoritin Clinton. Zwar glänzte er mit brillanten Reden, vor acht Jahren konnte er in den Streitgesprächen vor laufender Kamera aber nicht punkten. Die Auftaktvorwahl in Iowa gewann er dennoch. Nur ist diesmal bei den Demokraten weit und breit kein zweiter Obama in Sicht, auch das hat der Wortstreit in Las Vegas erhärtet.

Hillary Clinton bleibt nach dieser TV-Debatte die Favoritin.

Sanders' Ziele lassen sich kaum umsetzen

Bernie Sanders, der kantige Sprecher der Linken, wärmt zwar die Herzen einer Partei, die nach dem Schock der Finanzkrise die Exzesse des Kapitalismus so prägnant thematisiert wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Dass er mit seiner Agenda, dem Streben nach einem Wohlfahrtsstaat skandinavischer Prägung, eine amerikanische Wahl gewinnt, kann man sich allerdings nur schwer vorstellen. Und in den eigenen Reihen fehlt ihm die Unterstützung von Afroamerikanern und Hispanics. Nur die Studenten scheinen Sanders mehrheitlich den Vorzug gegenüber Clinton zu geben. Obama konnte sich einst auf eine Koalition aller drei Bevölkerungsgruppen verlassen.

Immerhin, wie souverän der Senator darauf verzichtete, die Affäre um den laxen Umgang der Außenministerin Clinton mit dienstlichen E-Mails zum eigenen Vorteil auszuschlachten, nötigt Hochachtung ab. Was für ein Kontrast zu den Rhetorikkeulen eines Donald Trump, die die Debatten der Republikaner zu verbalen Raufereien ausarten lassen. Die Wähler mit ihren Alltagssorgen hätten es satt, noch länger über "diese verdammten E–Mails" zu reden: Dieser Sanders-Satz wird wohl von diesem Abend am ehesten in Erinnerung bleiben.

Bernie Sanders verzichtete darauf, die E-Mail-Affäre auszuschlachten.

Drei weitere im Hintergrund

Die drei übrigen Rivalen, Lincoln Chafee, Martin O'Malley und Jim Webb, dürften mit dem Ausgang des Rennens nichts zu tun haben. In der Casinostadt ist keinem von ihnen der große rhetorische Wurf gelungen, der sie mit einem Mal aus dem Schatten heraustreten ließe.

Vielleicht wirft Joe Biden, der seit Wochen öffentlich mit sich ringende Vizepräsident, seinen Hut noch in den Ring. Wenn ja, wäre er der Kandidat, der Hillary Clinton am ehesten gefährlich werden könnte. Die wiederum hat in Las Vegas bewiesen, dass sie durchaus spontan, locker und humorvoll sein kann, nicht so hölzern, fast unnahbar, mit genauestens abgezirkelten Sätzen, wie es manche ihrer Wahlfilmchen vermitteln. Beim Debattieren ist sie der Konkurrenz überlegen, jedenfalls für den Moment. (Frank Herrmann aus Washington, 14.10.2015)