Der Flüchtlingszustrom hat das Wifo dazu veranlasst, die Arbeitskräfteprognose kräftig umzustellen. Höhere Ausländerbeschäftigung und höhere Arbeitslosigkeit gehen dabei Hand in Hand.

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Wien – Die Situation am Arbeitsmarkt wird langfristig angespannt bleiben. Neben der mäßigen Konjunktur sorgt das steigende Arbeitskräfteangebot für einen weiteren Anstieg der Jobsuchenden auf 9,9 Prozent im Jahr 2017. Einen Rückgang der Arbeitslosigkeit stellt das Wirtschaftsforschungsinstitut in seiner neuen Mittelfristprognose erst für 2019 in Aussicht. Diese Entwicklung hängt stark mit dem Flüchtlingsthema zusammen.

Wegen des ungebrochenen Zustroms gehen die Wirtschaftsforscher davon aus, dass die Zahl der ausländischen Beschäftigten bis 2020 von heuer 615.000 Personen auf 764.000 zunehmen wird. Zwar ist darin auch die Fortsetzung des Zuzugs aus den osteuropäischen Ländern enthalten, allerdings stellten die Flüchtlinge "den einzigen Grund für das höhere Wanderungsszenario dar", erläutert Wifo-Experte Josef Baumgartner im Gespräch mit dem STANDARD. Das Wirtschaftsforschungsinstitut orientiert sich nun am oberen Rand der von der Statistik Austria berechneten Migrationsprognosen, wonach sich die Migration um 15.000 Personen pro Jahr erhöht.

Mehr Arbeitslose, mehr Jobs

Baumgartner weist auf die hohe Unsicherheit bei der Migration hin. "Man weiß nicht, wie viele der Flüchtlinge in Österreich bleiben", erklärt er. Die neue Prognose sei "ein Versuch, den aktuellen Zustrom abzubilden". Die Aussicht, dass die Arbeitslosigkeit 2019 sinken soll, basiere auf der Erwartung, dass die Zuwanderung 2017 ihren Höhepunkt erreiche. Allerdings steigt trotz höherer Arbeitslosigkeit auch die Beschäftigung weiter an, und zwar bis 2020 um durchschnittlich ein Prozent im Jahr.

Budget hält nicht

Dennoch kommt die von Finanzminister Hans Jörg Schelling propagierte Konsolidierung des Haushalts kaum voran, wie das Wifo – einen Tag vor der Budgetrede am Mittwoch – festhält. Das strukturelle Defizit, das heuer auf 0,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts schrumpfen soll, steigt demnach im kommenden Jahr auf 1,1 Prozent. Das angepeilte Nulldefizit (0,5 Prozent) würde damit deutlich verfehlt. Dabei ist das Wifo noch freundlich, denn es geht von einer kompletten Gegenfinanzierung der 2016 startenden Steuerentlastung aus.

Demgegenüber halten viele Experten die geplanten Mehreinnahmen durch die Bekämpfung von Steuerbetrug sowie allgemein gehaltene Vorgaben für Einsparungen in der Verwaltung für unzureichend, um die fünf Milliarden Euro schwere Reform zu finanzieren. Die Wifo-Zahl sei daher mit einem "deutlichen Prognoserisiko" versehen, wie Baumgartner einräumt.

Einkommen steigen wieder

Allerdings gibt es auch eine Kehrseite: Sollten die Pläne zur budgetären Gegenfinanzierung nicht aufgehen, könnte das die Konjunktur stimulieren. Für die Opposition sind die prognostizierten Abweichungen hingegen ein gefundenes Fressen: "Dieses Budget wird nicht halten", erklärte Team-Stronach-Klubobmann Robert Lugar am Dienstag vorsorglich.

Neben der Steuerreform nannte er die Flüchtlingswelle, die mindestens eine Milliarde Euro kosten werde, als Unsicherheitsfaktor. Umgekehrt räumt auch das Wifo ein, dass die Entlastung die realen Einkommen erhöht und somit den Konsum ankurbelt. Der private Verbrauch werde daher bis 2020 nach Jahren der Stagnation um 1,3 Prozent pro Jahr zulegen. Das geht auch, ohne dass die privaten Haushalte ihre Ersparnisse anzapfen, denn ihre Realeinkommen sollen um 1,5 Prozent jährlich zulegen.

Inflation steigt

Die Steuerreform beeinflusst aber nicht nur Einkommen und Budget, sondern auch die Teuerung. Sie legt im Prognosezeitraum kräftig zu, was nicht nur dem erwarteten Anstieg der Energiepreise und der leicht anziehenden Konjunktur geschuldet ist. Vielmehr wird ein Teil der Entlastung über eine Anhebung der ermäßigten Umsatzsteuersätze finanziert, zudem dürfte die höhere Fiskalbelastung wegen der Betrugsbekämpfung an die Kunden weitergegeben werden, meint das Wifo. (Andreas Schnauder, 13.10.2015)