Es müssen nicht immer Mega-Events sein. Ganz im Gegenteil. Wäre der Charity-Event "Schule läuft" vergangenen Donnerstag größer gewesen, wäre ich daheimgeblieben. Weil es bei mehreren tausend Läuferinnern und Läufern nicht auffällt, wenn man nicht kommt. Wenn aber zwischen ein paar hundert Kids, die im Kreis joggen, nur eine Handvoll Erwachsene sind, macht es keinen schlanken Fuß zu kneifen.

Also fluchte ich Donnerstagnachmittag ein bisserl, machte mich aber dann doch auf den Weg zum "Sparefroh-Spielplatz" zu Füßen des Donauturms. Alle "Es"-Argumente sprachen für das Sofa: Es regnete. Es war windig. Es war kalt. Es war düster. Und die "Ich"-Motive schlugen in die gleiche Kerbe: Ich war müde. Ich sollte arbeiten. Ich war doch noch in der Regenerationsphase nach Berlin. Kurz: Ich wollte nicht.

Foto: Thomas Rottenberg

Aber versprochen ist eben versprochen. Außerdem kenne ich mich: Einmal draußen, einmal in Bewegung, ist es dann meistens eh voll okay. Oder sogar ziemlich leiwand.

Denn der blöde Satz, dass es kein falsches Wetter, sondern nur die falsche Ausrüstung (und Einstellung) gibt, ist in Wirklichkeit überhaupt nicht blöd. Aber das wissen nur Menschen mit Hund. Oder Laufjunkies. (Mehrfachnennungen sind ausdrücklich zulässig.)

Foto: Thomas Rottenberg

Ganz abgesehen vom inneren Schweinehund, den zu überwinden nie schlecht ist, ist "Schule läuft" ein Event, den ich in jeder Hinsicht für unterstützenswert halte. Die Lehrer Barbara Huemer und Markus Michelitsch haben da etwas, das (hoffentlich) Spaß macht, mit etwas Gesundem und etwas Gutem kombiniert.

Laufen mit Schulsport und karitativem Engagement nämlich: Das Startgeld des einstündigen Laufs über einen Ein-Kilometer-Rundkurs durch den Donaupark ging zur Gänze an die Flüchtlingshilfe der Wiener Kinderfreunde.

Foto: Thomas Rottenberg

Obwohl Michelitsch der Hauptsponsor (eine Versicherung) ein oder zwei Tage vor der Veranstaltung abgesprungen war, betonte der Religions- und Turnlehrer am Ella-Lingens-Gymnasium, dass "kein Cent der Startgelder in die Orga oder woandershin fließen wird": Gerade im Umgang mit Jugendlichen gehe ohne Glaubwürdigkeit, Transparenz und Ehrlichkeit gar nichts.

Woher das eventuell fehlende Geld dann kommen würde? "Hoffentlich von anderen Unterstützern. Und aus meiner eigenen Firma: Ich veranstalte ja auch Laufevents."

Foto: Thomas Rottenberg

Ich hatte mich vor Ort nachträglich angemeldet. Und hatte mit Startnummer 260 eine der höchsten Nummern. Dass der Spendenerlös dann statt 2.600 "nur" rund 2.100 Euro betrug, war aber wohl dem Wetter geschuldet: Ich hätte bei dem Sauwetter als Lehrer vermutlich auch ein schlechtes Gewissen gehabt, Schülerinnen oder Schüler auf ihre Zusage festzunageln und in den Donaupark zu schleifen. Umso mehr Respekt verdienten die, die trotzdem kamen.

Foto: Thomas Rottenberg

Dass es vor allem (zu mindestens 75 Prozent) Mädchen waren, irritierte mich mehr als nur ein wenig: Als mittelalter Knacker mit einer Kamera in der Hand fast ausschließlich junge Frauen beim Sportmachen zu fotografieren, bekommt nämlich rasch einen etwas seltsamen Hautgout.

Doch als ich mich schon fragte, ob ich mittlerweile vielleicht tatsächlich in dem Alter sei, in dem ich nur noch hormonell-selektiv sehe, exkulpierten mich die Veranstalter: "Ja, uns fällt auch auf, dass da vor allem Mädchen unterwegs sind. Woran das liegt? Keine Ahnung."

Foto: Thomas Rottenberg

Der Lauf selbst war dann supernett. Nicht, weil die Strecke so besonders gewesen wäre. Oder wegen irgendeiner Challenge. Aber alle, die da waren, waren voll und mit dem Herzen dabei: Die Cheerleader im teilweise strömenden Regen genauso wie der Kabarettist Andreas Ferner, der als "Promi-Gast" gekommen war, um Kabaretttickets für eine Tombola zu spenden – und mit seiner Tochter eine Runde lief.

Foto: Thomas Rottenberg

Dass Ferner ausdrücklich darum bat, keine Fotos mit dem Gesicht des Kindes zu veröffentlichen, rechne ich ihm hoch an: 95 Prozent seiner VIP-Kollegen hätten der Versuchung, eigens darum zu bitten, doch ein Foto einer Zweijährigen im Ski-Overall beim Laufen bei einem Laufevent zu machen, wohl kaum widerstanden. Oder widerstehen wollen.

Foto: Thomas Rottenberg

Gelaufen wurde dann eine Stunde lang. So viele Runden man eben schaffte. Oder schaffen wollte. Zeitnehmung gab es eigentlich keine. Und die Runden wurden mit – zerrinnenden – Filzstiftpunkten oder – sich ablösenden – Klebepunkten beim Durchlaufen des Zielbogens markiert, während die waschelnassen Cheerleader jedes Mal jubelten, als habe man gerade einen Langstreckenrekord gebrochen.

Foto: Thomas Rottenberg

Und das, obwohl das Laufen fast niemand tierisch ernst nahm: Es liegt in der Natur des Jungseins, zuerst einmal Vollgas zu geben, nach 350 Metern aus der Puste zu sein – und dann eben zu gehen. Oder zu stehen. Oder ganz gemütlich zu traben.

Foto: Thomas Rottenberg

Bei so einer Veranstaltung ist das völlig egal – und dass es ein paar der Kids allem Anschein nach "zwickte", wenn alte Säcke wie ich sie das vierte oder fünfte Mal überrundeten, war nicht nur für mich, sondern wohl auch für ein paar andere "Gäste" Labsal für die alternden Seelen. Und Knochen: "Sie sind älter als mein Vater – und ich habe es nicht geschafft, mit Ihnen auch nur eine Runde lang mitzuhalten. Das kann einen schon fertigmachen", gestand mir eine 17- oder 18-Jährige Schülerin nach der Laufstunde auf dem Weg zur U-Bahn.

Foto: Thomas Rottenberg

Zu erwähnen, dass ich doch einfach nur elf gemütliche Runden abgespult hatte, verkniff ich mir: Das Angeben vor Teenagern überlasse ich gerne anderen. Außerdem waren da schon auch etliche Kids gewesen, die deutlich besser drauf waren als die paar routinierten Senioren.

Etwa eine (leider namenlose) Läuferin, die mit einem Freund da "ein bisserl in der Grundlage" herumspielte – und zu Österreichs U18-Bahn-Nachwuchshoffnungen über 400 und/oder 800 Meter zählt.

Foto: Thomas Rottenberg

Dass wir von einem Läufer gleich mehrfach überrundet wurden, irritierte weder sie noch ihren Freund noch mich noch sonst jemanden auf der Strecke: Der Ultra-Läufer Roman Tacho spulte hier 14 oder 15 Runden runter. Weil es auch für ihn motivierender ist, einen Rundkurs zu laufen, als allein auf der Insel oder sonst wo Tempokilometer zu machen.

Foto: Lisa Bartosch

Ganz besonders, wenn es wetterbedingt sonst kaum möglich wäre, sich gegen die Übermacht der Es- und Ich-Argumente zum Daheimbleiben durchzusetzen. (Thomas Rottenberg, 15.10.2015)

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Schule läuft

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