Die SPÖ verliert wieder eine Wahl. Und jubelt. Seit Werner Faymann Bundeskanzler ist, ist das die 18. Wahl, bei der ein dickes Minus vor dem Ergebnis steht. Dennoch reißen die Genossen die Arme hoch, halten erhobene Daumen in die Kameras, freuen sich aufrichtig. Der Grund für ihre Euphorie: Es hätte noch schlimmer kommen können. Die FPÖ hätte Erster werden können. Wird sie auch, wenn die SPÖ so weitermacht.

Von der vielzitierten Demut vor dem Ergebnis und jenen, die zur Wahl gegangen sind, keine Spur. Fünf Prozentpunkte minus – und der Bundeskanzler und der Wiener Bürgermeister Michael Häupl liegen sich freudig erregt in den Armen. Jetzt kann endlich weitergewurstelt werden!

Wer so auf diesen Wahlausgang reagiert, zeigt deutlich, dass er aus den Niederlagen nichts gelernt hat, dass er das Ergebnis nicht begriffen hat, dass er dem Anspruch auf politische Führung offenbar nicht gewachsen ist. Werner Faymann ist der buchhalterische Verwalter der roten Niederlagen. Michael Häupl ist immerhin ein gewiefter Taktierer.

Der Wiener Bürgermeister sitzt jetzt auf einem Haufen von Stimmen, die gar nicht der SPÖ gegolten haben, sondern die sich ausschließlich (und mit Bauchweh) gegen Strache gerichtet haben. Diese taktischen Stimmen von Leuten, die der SPÖ skeptisch gegenüberstehen, aber einen Bürgermeister Strache verhindern wollten, haben Häupl diesmal noch das Amt gerettet. Ohne diese Leihstimmen, die zu einem großen Teil von den Grünen, aber auch von der ÖVP, von Neos-Sympathisanten und aus dem Bereich der Nichtwähler kommen, sähe das Wahlergebnis für die Roten noch viel trister aus.

So gesehen hat sich die Panikmache, die Inszenierung eines Duells zwischen Häupl und Strache gelohnt. Diesen Leuten, die diesmal noch wieder oder ausnahmsweise SPÖ gewählt haben, jetzt ein inhaltliches, aber auch ein atmosphärisches Angebot zu machen, das sie ihre Wahlentscheidung nicht rasch und bitter bereuen lässt, wäre eine lohnende Aufgabe, der sich Faymann und Häupl stellen müssten. Wer die beiden kennt: Das kriegt weder der Kanzler in seinem Elfenbeinturm hin noch der Bürgermeister in seinem Stammbeisl.

Nicht, dass ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner besser dastünde. Seiner kurzen Obmannschaft ist es zu verdanken, dass die Liste der Niederlagen wesentlich straffer gefasst ist: Bei vier Landtagswahlergebnissen stand jeweils ein deutliches Minus davor; zuletzt in Wien. Dass die Partei des Vizekanzlers, der darum bemüht ist, sein Image auf urban, liberal und weltoffen zu bürsten, in der Bundeshauptstadt ein einstelliges Ergebnis als viertstärkste Kraft einfährt, ist hochgradig peinlich. Und daran ist nicht ausschließlich Spitzenkandidat Manfred Wiehießdernoch schuld.

Die ÖVP hatte in Wien kein schlüssiges Programm und keine glaubhafte Linie, jetzt einmal abgesehen vom personellen Angebot. Das ist auch die Verantwortung des Parteichefs. Was macht Mitterlehner jetzt? Wirft er wieder die Nerven weg und droht mit Koalitionsbruch? Neuwahlen sind allerdings ausgeschlossen. Da könnte man Strache gleich den Schlüssel zum Kanzleramt nachwerfen. Arbeiten? Reformen angehen und umsetzen? Mit den Bürgern kommunizieren? Bedarf gäbe es. Wahrscheinlicher ist allerdings: weiterwursteln. Das ist es, was diese Koalition am besten kann. (Michael Völker, 12.10.2015)