Hund, Katze, Maus, Schmetterling? Die Drahtskulpturen von Constantin Luser sind für Betrachter wie Rorschachtests.

Foto: Sophie Thun

Wäre die Imagination ein Muskel, er wäre verkümmert. Verwöhnt von nahezu perfekten Illusionswelten nur noch träger Schwabbel. Spinnt man das weiter, verhielten sich Constantin Lusers "Raumzeichnungen" dazu wie ein Workout ... Na ja.

Anregend sind seine in filigrane Drahtskulpturen übersetzten Zeichnungen, die durch unsichtbare Fäden im Raum zu schweben scheinen, trotzdem. Im Frühjahr 2014 hatte Luser (geb. 1976 in Graz) ein ganzes Kabinett in der Kunsthalle Krems mit seinen dreidimensionalen Liniengespinsten gefüllt, die sich, um eine Ebene beraubt, an den Wänden fortsetzten. Oder umgekehrt. Sahen doch diese federleichten Mobiles auch aus, als wären sie just aus den flachen Wandzeichnungen herausgesprungen. Quasi wie aus Platons Höhle entfleuchte Schatten.

Kurzum: Im Getümmel schwarzer Linien im komplett weißen Raum war zwischen zwei- und dreidimensional im Grunde nicht mehr zu unterscheiden – erst recht nicht weil jede Linie drei Doppelgängerinnen hatte. Verdoppeltes Stereo sozusagen. Es ist die Konsequenz davon, dass Luser beim Zeichnen gern gleich mehrere Stifte in die Hand nimmt. So entsteht ein regelrecht vibrierender Effekt, so als würden von einem bewegten Objekt die Umrisslinien stehen bleiben. Solche Existenzen haben keinen Anfang und kein Ende, keine Grenze. "Das Auge kann sich täuschen", lautet seine dort handschriftlich notierte Botschaft – freilich in Vierfachvibration.

Hauchexistenzen

Sich täuschen können, heißt also, sich nicht in Sicherheit wähnen zu dürfen, flexibel zu bleiben. Etwa dann, wenn man sich Lusers neuesten, aus Messing gefertigten "Raumzeichnungen" in den Hofstätter Projekten nähert. Mit Vorsicht umrundet man daher seine "Hauchexistenzen", wie Thomas Trummer die Zarten getauft hat, vermeint Köpfe oder Vögel zu erkennen, legt sich nicht fest.

Aber der Kopf ist dann tatsächlich einer: Stundenmutter heißt er, denn der Drahtschädel ist Behausung für ein altes Uhrpendel. Ein Fundstück aus der Sammlung des Kunsthandels Hofstätter wie auch das Skelett einer alten Kommodenuhr oder das Fragment einer Klarinette, die Luser, so wie einst die Bilder aus Meyers Konversationslexikon, in seinen zeichnenden Ideenkosmos integriert und denen er zu neuem Dasein verhilft. (Anne Katrin Feßler, 10.10.2015)

KA21 / CastYourArt