Neuere Antibabypillen gefährlicher als alte? "Nein, höchstwahrscheinlich nicht", entwarnt Gynäkologe Christian Egarter vom AKH Wien.

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Berlin/Wien – Neuere Antibabypillen bergen im Vergleich zu ihren Vorgängern häufig ein größeres Thromboserisiko. Zu diesem Ergebnis kommt ein in Berlin veröffentlichter "Pillenreport", den die Techniker-Krankenkasse (TK) zusammen mit der Universität Bremen erstellt hat. Der Bericht basiert auf Daten der Europäischen Arzneimittelagentur EMA und des deutschen Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM).

Aus der Untersuchung geht hervor, dass der Nutzen bei allen zugelassenen neueren Pillen zwar die Risiken überwiegt, dennoch sei bei jenen neuen Pillen, die natürliches Estrogen enthalten, das Risiko für einen Venenverschluss (Thromboembolie) etwas erhöht: Neun bis zwölf Anwenderinnen pro 10.000 Frauen waren betroffen. Im Vergleich dazu: Bei Pillen älterer Generationen waren es fünf bis sieben Fälle.

Studie mit Vorsicht genießen

Die Ergebnisse seien jedoch mit Vorsicht zu genießen, sagt Christian Egarter, Leiter der klinischen Abteilung für gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin am AKH Wien. Auch ältere Studien hätten bereits einen Zusammenhang mit Thrombosen hergestellt, doch sei die Wahrscheinlichkeit für solche allenfalls "marginal höher" – doch auch das sei nicht restlos geklärt.

Für den Report wurde das Produkt "Zoely" geprüft, das Anfang 2012 auf den Markt gebracht wurde. Es ist eine Kombination aus dem Gestagen Nomegestrol, das für einen regelmäßigen Zyklus sorgt, und natürlichem Estrogen – im Gegensatz zu bisherigen Pillen, die synthetische Estrogene beinhalten. "Das Nomegestrol kann bezüglich Thromboserisiko noch nicht eingestuft werden", sagt Egarter.

Wesentlich wichtiger im Zusammenhang mit Blutgerinnung und Gefäßverschluss sei aber ohnehin das Estrogen, das bei synthetischer Fertigung einen wesentlich stärkeren biologischen Effekt mit Nebenwirkungen aufweist. "Das war auch der Grund für die Entwicklung natürlicher Estrogene, um potenziell das Thromboserisiko zu senken", so der Experte. Ob das tatsächlich auch der Fall ist oder das Risiko vielmehr geringfügig höher ist, wie der Pillenreport nahelegt, müssten erst noch groß angelegte Phase-IV-Langzeitstudien zeigen.

Interessant sei auch, dass neuere Methoden primär immer schlechter bezüglich des Thromboserisikos abschneiden – das dürfte mit dem sogenannten "Healthy User"-Effekt zusammenhängen. "Frauen, die mit früheren Präparaten eine Thrombose erlitten, bekommen natürlich auch keine neueren Pillen verschrieben", so Egarter.

Viele Faktoren

Er betont, dass ein tatsächlicher Zusammenhang mit Thrombosen immer schwer zu beurteilen sei, weil beim Auftreten unzählige Faktoren zusammenfließen, etwa genetische Veranlagung und Lebensstilfaktoren, zum Beispiel Alkoholkonsum, Rauchen, Ernährung oder Bewegung.

Der mit Abstand größte Risikofaktor für Thrombosen sei aber ohnehin das Alter, so Egarter: "Frauen zwischen 40 und 45, die keine Pille nehmen, haben von Haus aus ein sechsmal höheres Risiko als 15- bis 20-jährige." Bei stark Übergewichtigen mit einem Body-Mass-Index (BMI) über 30 sei das Risiko sogar zehnfach erhöht.

Deshalb bekommen Frauen aus diesen Risikogruppen schon jetzt überwiegend reine Progestagen-Präparate verschrieben, weil diese definitiv keinen Einfluss auf die Thrombosegefahr haben – so wie übrigens das Implantat und die Hormonspirale, bei denen nur Gestagen zur Anwendung kommt. Der Nachteil hier ist möglicherweise ein unregelmäßiger Zyklus. Dennoch sind Progestagen-Präparate aufgrund ihrer Sicherheit für Thrombose-Risikopatientinnen schon jetzt meist das Mittel der Wahl.

Für alle anderen Frauen stellen, so Egarter, aber auch die Pillen der neuesten Generation mit natürlichem Estrogen mit Sicherheit keine Gefahr dar. Im Gegenteil: "Wahrscheinlich sind sie sogar sicherer. Das müssen nur noch große Studien zeigen." Grund zur Verunsicherung gebe es also nicht: "Die Pille ist sicher." (Florian Bayer, 13.10.2015)