Karlsruhe – Das deutsche Bundesverfassungsgericht hat die Rechte von Demonstranten gegenüber der Polizei gestärkt. Nach einem am Donnerstag veröffentlichten Beschluss darf die Polizei nur dann die Identität von Demonstrationsteilnehmern feststellen, wenn eine "konkrete Gefahr" für die öffentliche Sicherheit und Ordnung besteht.

Filmt die Polizei eine Demonstration, dürfe sie nicht ohne Weiteres die Identität von Teilnehmern feststellen, die die Polizisten ihrerseits filmen. Sonst bestehe die Gefahr, dass solche Demonstranten "aus Furcht vor polizeilichen Maßnahmen" auch zulässige Film- oder Fotoaufnahmen und damit "Kritik an staatlichem Handeln" unterlassen.

Vorfall 2011

Mit dem Urteil hatte die Verfassungsbeschwerde eines Mannes Erfolg, der der Polizei bei einer angemeldeten Demonstration in Göttingen seinen Personalausweis zeigen musste. Die Karlsruher Richter sahen sein Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt.

Bei der Versammlung im Jänner 2011 filmte die Polizei die Teilnehmer. Die Begleiterin des Klägers erweckte den Eindruck, als filme sie ihrerseits die Polizisten. Die Polizei ging nach eigener Darstellung davon aus, dass die Demonstranten ihre Videos von dem Polizeieinsatz im Internet veröffentlichen würden. Das nahmen auch die Verwaltungsgerichte an und wiesen die Klage des Demonstranten ab. Diese Entscheidungen hob das Bundesverfassungsgericht nun auf.

Es sei verkannt worden, dass die Demonstrationsteilnehmer deshalb filmten, weil die Polizei selbst Bild- und Tonaufnahmen von ihnen machte. Nun sei zu prüfen, ob die von den Demonstranten selbst angefertigten Videos nicht eine "bloße Reaktion" auf das Vorgehen der Polizei gewesen seien – zur Beweissicherung bei etwaigen Rechtsstreitigkeiten. Das Kunsturhebergesetz verbiete nicht die Anfertigung von Bildern, sondern erst deren unbefugte Verbreitung, stellte das Verfassungsgericht klar. (APA, 8.10.2015)