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China benötigt drastische Maßnahmen um die Anzahl der Raucher zu reduzieren.

Foto: China Daily/REUTERS

Oxford – Nirgendwo auf der Welt gibt es mehr Raucher als in China: 300 Millionen Chinesen rauchen – zu Hause, in Restaurants, sogar am Arbeitsplatz. Es gilt als höflich, Zigaretten anzubieten, auch als Hochzeitsgeschenk sind sie nicht unüblich. Die Marke spiegelt dabei den eigenen sozialen Status wider: So sind Zigaretten, die von Arbeitern geraucht werden, bereits ab 50 Eurocent erhältlich, "Chef"-Zigaretten wie die Marke Panda kosten hingegen bis zu 30 Euro je Packung.

In den letzen Jahrzehnten ist der Zigarettenkonsum unter jungen chinesischen Männern stark angestiegen, was nicht ohne Folgen bleibt: Einer kürzlich im Fachblatt "Lancet" veröffentlichten Studie zufolge wird in Zukunft jeder dritte männliche Chinese an den Folgen des Tabakkonsums sterben, so nicht ein baldiges Umdenken eintritt. "Heute rauchen etwa zwei Drittel aller jungen chinesischen Männer, die meisten beginnen schon bevor sie 20 sind", sagt Zhengming Chen, der Autor der Studie und Professor an der Oxford Universität.

Studie mit Millionenbeteiligung

Ziel der Studie war, die gesundheitlichen Konsequenzen des Rauchens bei einer sehr großen und landesweit repräsentativen Gruppe von Menschen über einen längeren Zeitraum hinweg zu erfassen. Der erste Teil der Studie startete 1991 und umfasste eine Viertelmillion Männer, der zweite Teil – zurzeit noch im Gange – startete im Jahr 2006 und untersucht je eine halbe Million Männer und Frauen. Auf Basis der erhobenen Daten wurden mittels Cox-Regression, einer statistischen Methode zur Vorhersage von Überlebenswahrscheinlichkeiten, die geschlechtsspezifischen Sterberaten von Rauchern und Nichtrauchern ermittelt und verglichen.

Im Jahr 2010 hatte die Anzahl der jährlich durch Tabakrauch verursachten Todesfälle bei Männern die Millionenmarke erreicht. Sofern der Trend anhält, prognostiziert die Studie, werden es bis zum Jahr 2030 bereits zwei Millionen sein, drei Millionen im Jahr 2050. Bei Frauen ist die Situation nicht ganz so dramatisch: Da der Prozentsatz rauchender Frauen in China gesunken ist, hat sich analog dazu auch das Risiko eines vorzeitigen Todes verringert.

Frauen rauchen weniger und leben länger

Die Todesfälle, die mit Tabakkonsum in Verbindung stehen, haben sich bei Männern im Alter zwischen 40 und 79 von zehn auf 20 Prozent verdoppelt. In städtischen Gebieten liegt der Anteil sogar bei 25 Prozent – Tendenz steigend.

Im Gegensatz dazu rauchen chinesische Frauen im arbeitsfähigen Alter heute weniger als früher. Während in der Generation der in den 1930er Jahren geborenen Frauen noch zehn Prozent rauchten, sind es in der Generation der 1960er Jahre nur noch ein Prozent. Dementsprechend ist auch nur mehr ein Prozent der Todesursachen dieser Generation dem Rauchen zuzuschreiben.

Mythen erschweren Aufklärung

Liming Li, Professor an der Akademie der medizinischen Wissenschaften in Peking, unterstreicht die Notwendigkeit von Aufklärungsmaßnahmen: "Ohne eine ernsthafte, groß angelegte Kampagne zur Reduktion der Raucherzahlen blüht China eine gigantische Anzahl vorzeitiger Todesfälle."

Einige Mythen, die in China in Bezug auf das Rauchen kursieren, erschweren die Effektivität der Aufklärung und der erzieherischen Maßnahmen allerdings sehr. Dazu gehört die Überzeugung, dass Asiaten über spezifische biologische Abwehr-Mechanismen gegen die Schadwirkungen des Rauchen verfügen, sowie der Irrglaube, dass es leicht sei, mit dem Rauchen aufzuhören.

Höhere Preise könnten Leben retten

In westlichen Industriestaaten sind die Todesfälle, die mit Tabakkonsum in Verbindung standen, seit der Erhöhung der Zigarettenpreise stark zurückgegangen. "Auch in China könnte eine Erhöhung der Zigarettenpreise Millionen von Leben retten", sagt Koautor Richard Peto von der Universität Oxford.

Es zeichnet sich aber auch ein positiver Trend ab: Zwischen 1991 und 2006 stieg der Prozentsatz der Chinesen, die das Rauchen aufgegeben hatten, von drei auf neun Prozent an. Die Studienergebnisse zeigen, dass das Risiko einer Folgeerkrankung bei entwöhnten Rauchern bereits zehn Jahre später genauso niedrig ist wie bei Menschen die nie geraucht haben. (Renate Degen, 11.10.2015)